Politologin: Polens Abtreibungsgesetz wird liberaler werden

In Polen dürfte ein Regierungswechsel auch neue Regelungen beim Thema Schwangerschaftsabbruch bringen. Für die angestrebte Regierungskoalition habe ein liberales Abtreibungsgesetz Priorität, sagte die Vizedirektorin des Deutschen Polen-Instituts, Agnieszka Lada-Konefal, im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag in Warschau. Das Bündnis aus liberal-konservativen und linken Parteien könnte nach seinem Erfolg bei der Parlamentswahl von Sonntag die nationalkonservative PiS ablösen.

Nach Worten der Politologin gab der Chef der Bürgerkoalition, Donald Tusk, nur Kandidaten einen Platz auf den Wahllisten, die für eine Liberalisierung seien. Auch die Linke mache sich dafür stark. Nur der dritte Koalitionspartner, das Wahlbündnis Dritter Weg des ehemaligen liberalkatholischen Publizisten Szymon Holownia, sehe das anders. Er wolle eine Volksabstimmung zur Abtreibungsfrage, sagte Lada-Konefal. Falls es zum Referendum komme, erwarte sie eine weitere Polarisierung der polnischen Gesellschaft, so die Expertin.

Dagegen rechne sie in der Migrationspolitik mit keiner radikalen Wende durch die geplante neue Regierung. „Denn alle wissen, die Polen sind nicht besonders offen für Migranten.“ Mit Blick auf Europa- und Kommunalwahlen 2024 sagte sie, die Bürgerkoalition und ihre Partner wüssten sehr genau, dass die PiS jede Chance nutzen werde, um die Regierung anzugreifen. „Und das Thema Migration ist dafür ideal“, so Lada-Konefal.

Weiter sei zu erwarten, dass die neue Koalition auf eine stärkere Trennung von Staat und Kirche pochen und versuchen werde, der katholischen Kirche „finanzielle Privilegien“ zu nehmen. Eine Regierung unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten und früheren EU-Ratspräsidenten Tusk werde nicht akzeptieren, „dass sich Priester und Bischöfe in die Politik einmischen“, so die Expertin. Auch die Zukunft des Religionsunterrichts, von dem sich zuletzt immer mehr Schüler abgemeldet hätten, dürfte demnach auf die Agenda kommen.

Bei den Parlamentswahlen wurde die PiS zwar mit 35,4 Prozent erneut stärkste Kraft, verlor aber ihre Mehrheit im Unterhaus des Parlaments, dem Sejm. Tusks Bürgerkoalition (30,7 Prozent), der Dritte Weg (14,4 Prozent) und die Neue Linke (8,6 Prozent) stellen zusammen künftig 248 von 460 Abgeordneten. Sie könnten somit eine neue Regierung bilden. Staatspräsident Andrzej Duda hat indes noch nicht bekanntgegeben, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt.