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Politologe sieht Demokratie in Deutschland vor “Bewährungsprobe”

Der Ausgang der Bundestagswahl und die aktuelle Entwicklung in der internationalen Politik stellen die Demokratie in Deutschland nach Ansicht des Politologen Andreas Blätte vor eine „ausgesprochene Bewährungsprobe“. Man befinde sich in einer „Lage, in der sich die Demokratie beweisen muss“, sagte der Professor für Public Policy und Landespolitik sowie Direktor der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Duisburg.

Das Wahlergebnis mache die Koalitionsbildung auf Bundesebene schwierig. Trotz eines zum Teil sehr „polarisierten Wahlkampfes“ müssten Union und SPD nun aus dem Wahlkampfmodus herauskommen und einen Weg zu einer „gemeinsamen Vision für eine neue Regierung“ finden. Bislang seien die Anzeichen, dass dieses Ziel erreicht werden kann, aber „noch nicht sehr ausgeprägt“, bedauerte der Politologe. „Zugleich befinden wir uns in einer internationalen Lage, in der sich die Demokratie behaupten muss.“ Das transatlantische Bündnis bröckele, es biete keine Sicherheit mehr.

Den Wahlerfolg der AfD und nicht zuletzt von jungen Wählern für die Partei bewertet der Wissenschaftler als „Warnsignal“. Die Zustimmungswerte für die AfD lägen auch an der Mobilisierung von Nichtwählern, von der die Partei stärker als alle anderen Parteien profitiert habe. Zugleich sollten sich die etablierten Parteien aber davor hüten, sich „angstgeleitet von der AfD treiben zu lassen“. „Die nächste Regierung hat große politische Gestaltungsaufgaben. Diese jetzt in den Blick zu nehmen ist das Gebot der Stunde“, sagte Blätte.

Mit Blick auf den Wahlausgang sei festzustellen, dass auch in Deutschland eine europaweite Verschiebung im Parteienspektrum eingesetzt habe, unterstrich der Politologe. Das Parteiensystem werde immer fragmentierter, was die Bildung einer neuen Regierung nach der Wahl zusätzlich erschwere.

Zugleich gebe es die klassischen Stammwählerinnen und Stammwähler von politischen Parteien nicht mehr in dem Maße wie noch vor 20 oder 30 Jahren. Vor allem bei der SPD und der CDU/CSU bestehe eine Überalterung der Wählerschaft. „Von daher bedarf es einer großen Kraftanstrengung, die jüngeren Wähler wieder anzusprechen und künftige Generationen an sich zu binden“, erklärte Blätte. Die jüngeren Wähler verdienten deshalb „mehr Aufmerksamkeit, als wir es jetzt bei dieser Wahlauseinandersetzung gesehen haben“.