Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler hat vor der Aushöhlung der Demokratie gewarnt. „Die Demokratie verkommt zur Expertokratie“, kritisierte er am Samstag im westfälischen Warendorf. Bei den Bürgerinnen und Bürgern habe sich eine Konsumentenhaltung gegenüber der Politik herausgebildet, dass Politik zu liefern habe. Statt „Urteilsfähigkeit“ und „Urteilskraft“ der Menschen zu stärken, bedienten die Parteien diese passive unpolitische Haltung. Der emeritierte Professor war mit dem Publizisten Michel Friedman zu Gast beim 2. Europagespräch der Stadt Warendorf.
Die politische Auseinandersetzung sei heute durch ein hohes Erregungspotenzial gekennzeichnet, zusätzlich befeuert durch die sozialen Medien, sagte Friedman. Die Wähler seien aber überfordert, wenn man von ihnen erwarte, dass sie sich zu allen relevanten Themen eine eigene Meinung zu bilden. Wichtig sei es, „Haltung zu zeigen“, appellierte Friedman an die mehr als 140 Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal. Er forderte zudem, „sich ehrlich zu machen und mit einigen Lebenslügen aufzuräumen“. Dazu gehört seiner Ansicht nach die Aussage, Krieg sei kein Mittel der Politik. In Europa tobe seit 2014 ein Krieg in der Ukraine, betonte er.
„Ich bin ein verzweifelter Optimist“, sagte Friedman mit Blick auf die Europäische Union weiter. Das Europa der Demokratien werde immer mehr von Rechtspopulisten bedroht. So schicke sich in Österreich mit Herbert Kickl ein Neonazi an, mit Hilfe der konservativen Volkspartei ÖVP Bundeskanzler zu werden. Bei der ersten Koalitionsregierung mit Beteiligung der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) habe es von Seiten der EU noch Sanktionen gegeben.
Münkler schrieb der EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) zu, die bislang am meisten politische zu sein. Weil sich die USA geopolitisch zunehmend auf den pazifischen Raum aus Sorge um ihre Vormachtstellung gegenüber China konzentrierten, müssten die Europäer eine gemeinsame Abschreckungsstrategie entwickeln, mahnte er. Zugleich forderte er die deutsche Politik auf, die Ankündigungen aus Peking und Moskau, dass das „Zeitalter der Autokratien“ das der Demokratien ablösen werde, ernst zu nehmen.