Politologe Kiess: Oberbürgermeisterwahl in Pirna ist Weckruf

Nach der Oberbürgermeisterwahl im sächsischen Pirna appelliert der Leipziger Politikwissenschaftler Johannes Kiees an die Gesellschaft, die Demokratie gegen die rechtsextreme AfD zu verteidigen. Die Wahl am Sonntag habe gezeigt, dass sich der Rechtsruck manifestiere, sagte Kiess am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zu spüren bekämen diese Entwicklung nun demokratische Initiativen und Menschen, die Solidarität und Hilfe benötigen, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der städtischen Verwaltung.

Das sächsische Pirna hatte am Sonntag mit Tim Lochner den bundesweit ersten AfD-Oberbürgermeister gewählt. Der für die AfD angetretene parteilose Tischlermeister erhielt 38,54 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,8 Prozent. Vor gut einer Woche hatte der sächsische Verfassungsschutz den Landesverband der AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Rechtsextreme Positionen seien in Teilen Sachsens weit verbreitet, sagte der Wissenschaftler. „Menschen wählen die AfD und ihre Kandidaten nicht trotz, sondern wegen ihrer Positionen“, warnte er.

Insofern sei die Einstufung der AfD als rechtsextrem „weniger ein Signal an die Wähler der AfD, als an alle Demokratinnen und Demokraten, dieses Problem endlich ernst zu nehmen“. Der Politologe sieht in der Kommunalwahl auch einen Weckruf an die demokratischen Menschen in Pirna und darüber hinaus, „zusammen dem Aufstieg der rechtsextremen AfD Einhalt zu gebieten“. Spätestens jetzt sollte „allen klar sein, worum es geht“.

In Pirna hätten es die Akteurinnen und Akteure dieses Mal nicht geschafft, „die auch in Pirna vorhandene Mehrheit gegen einen AfD-Kandidaten und für eine demokratische Kandidatin oder einen Kandidaten zu organisieren“, kritisierte der Wissenschaftler. Die demokratischen Parteien müssten sich mit Blick auf die Direktmandate und auch grundsätzlich darauf einstellen, dass bei der nächsten Wahl „die Demokratie gegen die AfD verteidigt werden muss“.

Bei Kommunalwahlen sei die Beteiligung regelmäßig niedriger als bei Bundestagswahlen, sagte Kiess. Das zeige, dass „offenbar zu wenige Menschen sich für den Zustand ihrer Gemeinde interessieren“. Der Politikwissenschaftler nannte es bedenklich, „dass Demokratie von vielen nicht als etwas Eigenes verstanden wird, dass sie etwas angeht“.