Politikerin: Aufarbeitung von Kolonialverbrechen geht kaum voran

Im Herbst 2023 war die koloniale Vergangenheit bereits ein wichtiges Thema beim Tansania-Besuch von Bundespräsident Steinmeier. Viel geschehen ist seither allerdings nicht, findet die Abgeordnete Sevim Dagdelen.

Bei der Aufarbeitung von deutschen Kolonialverbrechen geht es nach Ansicht der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen kaum voran. “Es ist ein Armutszeugnis, dass die Bundesregierung weiterhin nicht bereit ist, den Völkermord des Deutschen Reiches in Tansania beim Namen zu nennen und anzuerkennen”, sagte die dem Bündnis Sahra Wagenknecht angehörende Abgeordnete am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Durch eine “mangelhafte Bereitschaft, die deutschen Kolonialverbrechen in Tansania wirklich aufarbeiten zu wollen”, verspiele die Bundesregierung zunehmend Glaubwürdigkeit in den Ländern des globalen Südens.

Tansania gehörte mit Burundi, Ruanda und kleinen Teilen von Mosambik zwischen 1885 und 1919 zu Deutsch-Ostafrika. Die Deutschen beuteten ihre Kolonie aus, auch unter Einsatz von Zwangsarbeit. Immer wieder kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Einheimischen. Der Maji-Maji-Krieg (1905-1908) gilt als einer der größten und verheerendsten Kolonialkriege. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge wurden dabei zwischen 75.000 und 300.000 Menschen getötet; meist wird die Zahl der Opfer auf 180.000 beziffert.

Auf die Frage Dagdelens zum Stand der Aufarbeitung aus Sicht der Bundesregierung, verwies das Auswärtige Amt auf den Tansania-Besuch von Staatsministerin Katja Keul Anfang März. Keul habe gegenüber den Nachfahren koloniales Unrecht anerkannt und hierfür um Vergebung gebeten. “Darüber hinaus hat sie sowohl mit Regierungsvertreterinnen und -vertretern als auch mit Nachfahren von Opfern über den deutschen Wunsch, die koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten, gesprochen.”

Die Bundesregierung stelle sich “der moralischen und politischen Verantwortung, die aus den durch deutsche Kolonialtruppen verübten Verbrechen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika resultiert”, so das Außenamt weiter. Die tansanische Regierung habe jedoch “sehr deutlich gemacht, dass Gespräche dazu ausschließlich über die tansanische Regierung laufen werden”. Dort gebe es aber noch interne Abstimmungen.