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Philosoph rät: Auch Erwachsene sollten regelmäßig schaukeln

Der Philosoph Wilhelm Schmid (Berlin) sieht das Schaukeln als „Urbewegung des menschlichen Daseins“. Schon vor der Geburt würden die Menschen im Mutterleib geschaukelt und später in den Armen gewiegt. Schaukeln stimuliere die Sinne und sei eine gute Übung fürs Leben. Durch das schwungvolle Hin und Her könne man mehr Lebensfreude gewinnen.

Deshalb sollten auch Erwachsene regelmäßig schaukeln. „Das tut jedem gut“, ist Schmid überzeugt, der auch mit 72 Jahren gerne Spielplätze besucht. Schaukeln sei eine der besten sportlichen Betätigungen und sei sehr komplex. Dabei würden alle Muskeln des Körpers betätigt. Die Bewegung übertrage sich auf die Seele und sei inspirierend.

Das sei auch ein guter Ausgleich zum langen Sitzen vor dem Computer, sagt Schmid, der das Buch „Schaukeln. Die kleine Kunst der Lebensfreude“ veröffentlicht hat (Insel-Verlag 2023). Er verweist auf die Forschungen von Neurobiologen, denen zufolge beim langen Sitzen vor dem Computer das Gehirn gelähmt werde. Beim Schaukeln aber lockere die körperliche Bewegung „ganz beiläufig die krampfhafte Verengung des Geistes auf“.

Als etwas ganz Besonderes bezeichnet er das Schaukeln im weiten Raum einer Kirche. Dabei sei man sprichwörtlich „dem Himmel ganz nah“. Dies habe er letztes Jahr in der evangelischen Versöhnungskirche in Frankenthal (Rheinland-Pfalz) ausprobiert. Dort war mehrere Monate eine Schaukel-Installation aufgebaut.

„Leben heißt Schaukeln“, ist Schmid überzeugt. Eine Art Schaukelbewegung ist seit Jahrhunderten unter dem Namen „ora et labora“ bekannt – der Abwechslung von Gebet und Arbeit. Zwischen Beten und Arbeiten wie eine Glocke hin- und herzuschwingen, habe den Bewohnern von Klöstern über viele Jahrhunderte hinweg ein erfülltes Leben ermöglicht. Eine ähnlich nachhaltige Wirkung könne heute das Pendeln zwischen Anstrengung und Besinnung oder Genuss und Verzicht haben.

Die Schaukel sei auch ein Symbol für das Auf und Ab des Lebens, erläutert Schmid, der auch als Schaukel-Philosoph bekannt ist. Dass das Leben nicht immer nur aufwärts gehe, habe er selbst erfahren, als er nach dem Tod seiner Frau zutiefst verzweifelt gewesen sei: „Das Leben schaukelt einen wieder zurück.“ (2794/04.11.2025)