Paulus, der Geschmähte

Wie Paulus in die Rolle eine Narren schlüpft, darüber schreibt Pastor Tilman Baier. Er ist Chefredakteur der Evangelischen Zeitung und der Kirchenzeitung MV.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ aus 2. Korinther 12, 1-10
Nun sind sie wieder los, die Narren. Ausverkaufte Faschingsbälle zeigen, dass die angeblich ach so zurückhaltenden und ernsten Norddeutschen auch einmal gern auf die Pauke hauen. Auch unter uns gibt es viele, die gern einmal in ein anderes Gewand schlüpfen, für ein paar Stunden auch die Seiten ihrer Person ausleben wollen, die sonst im Zaum gehalten und versteckt wird. Und mit Büttenreden wird auch hierzulande den kleinen und großen Mächtigen der Spiegel vorgehalten. Dabei gehört es zu den uralten Spielregeln, dass die so Karikierten sich nicht beschweren dürfen. Nicht umsonst haben sie als Zeichen für die tollen Tage den Narren den Rathausschlüssel überreicht.
Satire gehört in unserem jüdisch-christlichen Kulturraum zur Tradition einfach dazu. Selbst der Apostel Paulus steigt in seinem zweiten Brief an die Korinther „in die Bütt“. Missstände, die er anprangern will, gibt es reichlich: Umherziehende Missionare haben ihn vor den Christen dort diskreditiert: Er, Paulus, sei doch nicht ernst zu nehmen. Er könne keine Wunder vorweisen, sei ein erbärmlicher Redner, ja, eigentlich habe er überhaupt keine Legitimation, als Apostel Christi aufzutreten.
Und wie reagiert er, Paulus, der Geschmähte? Fährt er ebenso schweres Geschütz gegen die auf, die ihn lächerlich machen wollen?
So, wie Paulus reagiert, erteilt er seinen Gegnern eine Lektion: Er schlüpft in die Rolle eines Narren. Mit feiner Ironie stellt er seine Gegner bloß. Nein, er verweist nicht auf seine Kraft, die er unzweifelhaft mit seinen Missionsreisen bewiesen hat. Nein, er verweist nicht auf seine Gelehrtheit, auf die er als Rabbiner wohl auch verweisen könnte. Er stellt stattdessen die Schwachheit, die seine Gegner ihm vorwerfen, in den Mittelpunkt seiner Rede: Gott selbst habe ihn damit geschlagen, sagt er – aber nicht als Strafe, sondern als Hilfe, um sich nicht selbst zu überheben. Das, was den anderen als wunder Punkt erscheint, ist in Wahrheit der Ausweis zum Apostelamt. Danke, Paulus, für diese Lektion auch für uns.
Unser Autor
Pastor Tilman Baier
ist Chefredakteur der Evangelischen Zeitung und der Kirchenzeitung MV.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.