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Pater stört fürs Klima

„Wenn ich nett bin, werde ich ignoriert“: Der Jesuit Jörg Alt aus Nürnberg blockierte kürzlich mit anderen Demonstranten den Altstadtring in Nürnberg. Er fordert eine soziale und ökologische Transformation

Von Jutta Olschewski (epd)

„Warum bremsen wir nicht, obwohl die Wand sichtbar vor uns steht, auf die wir zurasen?“, fragt der Jesuitenpater Jörg Alt in seinem neuen Buch „Widerstand“. Seit vielen Jahren kämpft der Priester gegen soziale ­Ungleichheit, indem er Bücher schreibt und Vorträge hält. Und indem er an die Politiker*innen schreibt – dauernd ­bekommen Olaf Scholz, Christian Lindner und Cem Özdemir Post aus Nürnberg.

Mitte August aber ist der Jesuit mit einem Akt des zivilen Widerstands ein Stück weitergegangen. Mit einer Straßenblockade auf dem vielbefahrenen Altstadtring in Nürnberg ­protestierte er mit 14 weiteren ­Aktivist*innen für einen ­sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Demonstrierenden, auch der Jesuitenpater, hatten ihre Hände auf dem Asphalt fest­geklebt. „Wenn ich nett bin, werde ich ignoriert“, erklärt er. „Aber wenn die Politik nicht handelt, werde ich bockig sein und ins Gefängnis gehen.“

Prophetisch nerven

Im Dezember 2021 hatte der 60-­Jährige damit auf sich aufmerksam gemacht, dass er öffentlichkeits­wirksam Lebensmittel in Nürnberg verteilte, die er zuvor des Nachts aus Supermarktcontainern geklaut hatte. Nach einer Selbstanzeige wurde gegen ihn wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall ermittelt. Nach Einstellung der Ermittlungen wurden sie auf Alts eigenen Antrag hin wieder aufgenommen. „Die Nervigkeit des Paters, der die Perversität der geltenden Regeln vor Augen führen will, hat etwas Prophetisches an sich“, schrieb der Kolumnist ­Heribert Prantl vor Kurzem in der „Süddeutschen Zeitung“. 

Einen „Bayernplan für eine ­soziale und ökologische Transformation“ stellte Alt 2020 im Namen eines bayerischen Bündnisses aus über 120 Organisationen und Einzelpersonen aus Kirchen, Umwelt­organisationen, dem Sozialbereich und der Wissenschaft vor. Corona, Klimawandel, Artensterben, Ungleichheit, wachsender Populismus und andere Fehlentwicklungen überlagerten und verstärkten sich wechsel­seitig, heißt es darin. 

Im aktuellen Buch schreibt Alt vorwiegend über den Kampf für ein Umdenken in der ­Klimakrise. „Die Profiteure des ­Status quo sind nicht bereit, in ­dieser menschheitsgeschichtlich ­außergewöhnlich bedrohlichen ­Situation uns auf diesem Weg zu führen oder diesen auch nur frei­zumachen“, stellt er fest. Im Gegenteil: Ein Umlenken werde verschleppt und gebremst, „wo es nur geht“.

Ordensleitung steht hinter ihm

Der gebürtige Saarländer ist gleich nach dem Abitur bei den ­Jesuiten eingetreten, „weil er das Priestertum in einer Gemeinschaft leben wollte“, wie er sagt. Bei den ­Jesuiten führt er „ein klösterliches Leben ohne Klostermauern“, zu dem das tägliche Beten und die tägliche Messe dazugehören. 20 Jahre lang führten ihn die Aufgaben für die Jesuiten in ­verschiedene Länder, ins mittelamerikanische Belize, in die USA, nach London und nach Brüssel. Alt hat im Fach Soziologie promoviert, hat ­Philosophie und Theologie studiert. Er hofft, dass er seine Tätigkeit „in Absprache mit der Gemeinschaft“ noch einige Jahre weiterführen könne. Seine Ordensleitung steht ­jedenfalls fest hinter seinen ­Aktionen gegen den Klimakollaps.

Jörg Alt, Widerstand – Gegen eine Wirtschaft, die tötet, Vier Türme GmbH 2022, 175 Seiten, 20 Euro