Pastoren zu Missbrauchsfällen: Landeskirche Hannovers verzögert Kulturwandel

Patzt die Landeskirche Hannovers beim Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt? Missbrauchs-Betroffene und Mitarbeitende fordern von der Kirchenleitung mehr Einsatz.

Zu Gast in der Kirchengemeinde Georgsmarienhütte: Landesbischof Ralph Meister (links) und Ralph Charbonnier, Vizepräsident des Landeskirchenamtes in Hannover, machen sich ein Bild von den Folgen sexualisierter Gewalt für eine Gemeinde.
Zu Gast in der Kirchengemeinde Georgsmarienhütte: Landesbischof Ralph Meister (links) und Ralph Charbonnier, Vizepräsident des Landeskirchenamtes in Hannover, machen sich ein Bild von den Folgen sexualisierter Gewalt für eine Gemeinde.Birgit Hoppe

Pastor Martin Miehlke ist kein Mann der lauten Worte. Doch in seiner Kritik ist er unmissverständlich: „Es fehlt bis heute eine breite Debatte, wie die Kirche mit den Ergebnissen der Forum-Studie umgehen will“, so der 37-Jährige, der für eine wachsende Initiative von mehr als 300 kirchlichen Mitarbeitenden spricht, die mit der Aufarbeitungskultur ihrer Kirche unzufrieden sind. „Wir sehen die Kirche in Gefahr, wenn sich der Umgang mit sexualisierter Gewalt nicht grundlegend ändert“, so Miehlke. Es gehe um das Vertrauen in die kirchliche Arbeit.

Im Januar hatte eine wissenschaftliche Studie Strukturen benannt, die sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche begünstigen. Daraufhin hatte die Landeskirche Hannovers unter anderem eine personelle Aufstockung der „Fachstelle Sexualisierte Gewalt“ angekündigt. Außerdem hatte sie zu zwei Zoom-Konferenzen eingeladen, an der auch kirchenleitende Personen teilnahmen. Doch den Kritikern genügt diese Entwicklung nicht. Man werde nicht müde zu sagen, dass alles getan werde und über alles geredet werden könne, erklärt Miehlke. Aber im Grunde erwarte die Kirchenleitung von den Mitarbeitenden Stillschweigen – ganz so, wie es die Forum-Studie kritisiert hatte. So komme der Kulturwandel in der Kirche nicht in Gang.

Gemeinde beklagt mangelhafte Zusammenarbeit

Weitere Defizite benennt auch die Kirchengemeinde Georgsmarienhütte, in der sich in den 1970er-Jahren mehrere Missbrauchsfälle zugetragen haben. Die Zusammenarbeit mit der Landeskirche müsse als mangelhaft bezeichnet werden, kritisieren Pastor Nils Donadell und der Kirchenvorstand in einer Stellungnahme. Es habe unter anderem an fachlicher Unterstützung für die Gemeinde gefehlt, und es gebe weiterhin keine Evaluation. Auch die Betroffene Lisa Meyer (Name geändert) sei „völlig inadäquat“ behandelt worden.

Viel Kritik entzündet sich an Landesbischof Ralf Meister. Zwar habe er die Auseinandersetzung mit Betroffenen als wesentlich erkannt, zitiert ihn die Stellungnahme der Gemeinde Georgsmarienhütte. Aber „richtungsweisende Änderungen dahingehend sind für uns bis heute nicht sichtbar“. Unterdessen hat Meister die Gemeinde selbst besucht, um sich ein Bild zu machen.

Betroffene spricht von einem “Schlag ins Gesicht”

Nach Angaben von Lisa Meyer hat sich der Landesbischof bis heute nicht mit ihr getroffen. Er habe zwar per SMS angefragt, doch diese Art der Kontaktaufnahme sei wie ein „Schlag ins Gesicht gewesen“, sagt Lisa Meyer. Insgesamt bescheinigt sie der Kirche zwar ein Umdenken, aber sie vermisse ein Handeln aus eigener Initiative. „Bisher ist das nur Salami-Taktik.“ Nur scheibchenweise werde reagiert.

Meyer hatte dem Landesbischof einen Rücktritt nahegelegt. Andere Betroffene haben sich dem angeschlossen und es nochmals bekräftigt. Auch Pastor Miehlke sagt, dass er einen Rücktritt nachvollziehen könne. „Wir müssen die Kirchenleitung daran messen, was sie zum Kulturwandel aktiv beiträgt.“