Palästinensische Pastorin Sally Azar: Weihnachtsbotschaft bleibt relevant

Sally Azar ist Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land. Für uns schreibt sie über Weihnachten in Bethlehem mitten im Krieg. Und warum es sich zu hoffen lohnt.

Sally Azar Pfarerin der Evang.-Luth. Kirche in Jordanien und im Heiligen Land
Sally Azar Pfarerin der Evang.-Luth. Kirche in Jordanien und im Heiligen LandELCJHL / Ben Gray

Weihnachten in Zeiten von Krieg im Heiligen Land – ist nicht so, wie wir uns das vielleicht vorstellen. Aber schon in der Zeit, als Jesus geboren wurde, gab es Probleme und Menschen mussten flüchten, sogar die heilige Familie. Und den Frieden und die Gerechtigkeit, die Jesus mit sich gebracht hat, gibt es in diesem Teil der Welt noch immer nicht. Dieses Jahr feiern wir Weihnachten nicht so wie sonst. Die Feierlichkeiten des Festes erstrecken sich über eine Vielzahl von Traditionen, die oft als selbstverständlich angesehen werden. Doch inmitten der heutigen Kriege wird uns klar, was eigentlich in dieser Weihnachtszeit zählt.

Dröhnen von Kampfflugzeugen statt Weihnachtslieder

Wir alle im Land haben einen Alltag, der durch die Besatzung und den Krieg eingeschränkt ist. Der Klang von Explosionen und das Dröhnen von Kampfflugzeugen durchbrechen für viele die Stille der Nacht. Die festlich geschmückten Straßen von einst wirken heute wie stille Zeugen vergangener Zeiten. Die Notwendigkeit zu überleben und die permanente Angst um die Sicherheit unserer Lieben lassen kaum Raum für die Vorfreude, die sonst mit der Weihnachtszeit einhergeht.

In unseren Lutherischen Kirchen wird Weihnachten auf unterschiedliche Weise wahrgenommen. In meiner Gemeinde spiegelt sich das Fest in einem symbolischen, leeren Baum wider, der mit Gebeten geschmückt wird. In Bethlehem hingegen wird eine Krippe mit dem Bild von Jesus unter den Trümmern präsentiert – eine starke Erinnerung daran, dass Gottes Präsenz auch inmitten von Krieg und menschlichem Leid gegenwärtig ist. Obwohl es gerade durch die Menschheit so scheinen lässt, dass wir nicht gesehen werden und nicht auch in Gottes Bild gemacht worden sind und wir gleichgesehen werden, als Menschen in dieser Welt.

Die Vielfalt der Weihnachtstraditionen erstreckt sich auch auf soziale Aktivitäten. Einige Gemeinden besuchen mit Jugendlichen ältere Menschen, während andere sich dem traditionellen Krippenspiel mit den Jüngsten widmen. Diese verschiedenen Ansätze zeigen, dass trotz äußerer Umstände und Herausforderungen der Geist von Weihnachten lebendig bleibt.

Den Kern von Weihnachten nicht aus den Augen verlieren

Dennoch ist anzuerkennen, dass nicht jede/r die Festtage in ausgelassener Stimmung verbringt. Viele Familien entscheiden sich möglicherweise dafür, nicht zu feiern, da sie Verluste von Familienmitgliedern oder Freunden betrauern. Für diese Menschen wird die Weihnachtszeit zu einer Zeit der Reflexion und des Gedenkens, in der sie sich bewusst machen, wie kostbar die gemeinsame Zeit ist. In diesem Jahr stehen wir vor einer besonderen Herausforderung. Die Traditionen, die uns vertraut sind, mögen in diesem Jahr nicht so leicht umsetzbar sein. Aber es ist wichtig, dass wir dennoch den Kern von Weihnachten nicht aus den Augen verlieren.

Wir verstehen, dass viele von uns in dieser Zeit mit Sorgen und Unsicherheiten konfrontiert sind. Die Dunkelheit des Krieges umgibt uns, und es mag schwierig sein, die festlichen Rituale und Traditionen aufrechtzuerhalten, die wir lieben. Doch lasst uns daran denken, dass die wahre Bedeutung von Weihnachten nicht in äußeren Symbolen liegt, sondern in der Botschaft der Geburt Jesu Christi. Statt festlicher Straßen entzünden die Menschen in diesem Jahr die Kerzen. Nicht nur um die Dunkelheit zu vertreiben, sondern auch als Symbol der Hoffnung und des Glaubens an eine bessere Zukunft. Die Melodie von traditionellen Weihnachtsliedern mag in den von Krieg gezeichneten Straßen verloren gehen, aber die harmonische Klangkulisse der Solidarität und des Zusammenhalts kann trotz allem erklingen.

Frauen in der Geburtskirche in Bethlehem
Frauen in der Geburtskirche in BethlehemImago / UPI Photo

Als eine christliche Gemeinschaft können wir uns darauf konzentrieren, diese Hoffnung und Liebe weiterzugeben. Vielleicht müssen wir unsere Feierlichkeiten anpassen in Respekt gegenüber den Opfern des Krieges und können dennoch Wege finden, die Liebe Gottes in die Welt zu tragen. Dies könnte bedeuten, dass wir uns stärker auf das Gebet fokussieren, uns aktiv für Frieden einsetzen oder denjenigen helfen, die vom Krieg betroffen sind. Vielleicht liegt die wahre Essenz von Weihnachten in diesem Jahr darin, die Feier als Anlass zu nutzen, um Mitgefühl und Zusammenhalt zu stärken. Geschenke mögen knapp sein, aber die Güte im Herzen der Menschen ist unerschöpflich. Die Wärme einer Umarmung, das Teilen von Essen und die Bereitschaft, einander in schwierigen Zeiten beizustehen, sind Geschenke von unschätzbarem Wert.

Die Menschlichkeit ist stärker als der Krieg

Weihnachten inmitten von Krieg, Not und Krisen mag anders sein, aber es gibt Raum für Wärme, Liebe und Hoffnung. Vielleicht liegt gerade in diesen schwierigen Zeiten die Gelegenheit, den wahren Geist von Weihnachten zu entdecken und zu leben. Einen Geist, der über Grenzen, Kriege und Schwierigkeiten hinweg strahlt und die Menschen daran erinnert, dass die Liebe und Menschlichkeit stärker sind als jede Krise.

Betende in Bethlehem
Betende in BethlehemImago / ABACA Press

Daher sollen wir uns in dieser Zeit des Krieges daran erinnern, dass Jesus inmitten von Armut und Unsicherheit geboren wurde. Möge sein Geist uns leiten, während wir versuchen, Licht und Liebe in die Dunkelheit zu bringen. Auch wenn unsere äußeren Umstände schwierig sind, bleibt die Botschaft von Weihnachten stark und relevant – die Geburt Jesu Christi, der die Welt mit Hoffnung und Liebe erfüllt.

Sally Azar ist Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land. Sie ist in Jerusalem, im Gazastreifen und im Westjordanland tätig.