Ostkongo: Westfälische Kirche bekennt sich zur weiteren Zusammenarbeit

Im Ostkongo tobt seit Jahren ein tödlicher Konflikt. Martin Domke und Landeskirchenrat Albrecht Philipps sind für die Evangelische Kirche von Westfalen in die Krisenregion gereist und berichten.

In einer provisorischen Kirche in Goma schlafen jede Nacht 550 Geflüchtete.
In einer provisorischen Kirche in Goma schlafen jede Nacht 550 Geflüchtete.EKvW

Früher war er Soldat. Sie holten ihn raus, aus seiner Familie, da war er 14. Kindersoldat. Er musste auf Menschen schießen. Heute steht er am Steuer einer großen Fähre über den Kivusee, einem malerischen Fleckchen Erde. Aber die Ruhe täuscht. Der Ostkongo ist nach wie vor Kriegsgebiet, in einem der tödlichsten Konfliktherde der Welt. In einem praktisch rechtsfreien Raum nehmen sich gewissenlose internationale Unternehmen, aber auch die Nachbarstaaten Uganda und Ruanda, was immer sie sich von den enormen Bodenschätzen unter den Nagel reißen können.

Fast 100 lokale bewaffnete Gruppen

Dazu kommt: Das völlig am Boden liegende und korrupte kongolesische Staatswesen führt zusätzlich zu lokalen und regionalen Konflikten und Gewaltausbrüchen. Die kongolesische Armee ist daran beteiligt wie die fast 100 lokalen bewaffneten Gruppen. Der Staat kann seine Bevölkerung in keiner Weise schützen und ist oft nicht einmal dazu bereit.

In den meisten Regionen herrscht Ausnahmezustand, die Sicherheitskräfte können ungestraft mit den Menschen machen, was sie wollen. Opfer ist wie immer die Zivilbevölkerung. Der Kongo ist praktisch am Ende und die Welt schaut weg.

Aber Luc Karambolage, wie er sich nennt, hat die Chance ergriffen, die die Baptistische Kirche im Ostkongo ihm geboten hat. Er hat es geschafft. Seine Ausbildung zum Kapitän hat ihm das Leben gerettet. Jetzt ist er stolz und dankbar zugleich. „Gott hat mich gerettet und will mich jetzt hier einsetzen“, sagt er und zeigt ein scheues Lächeln. Ausbildungen in 51 Berufen werden im CAPA angeboten. Damit unterhält die Kirche das größte Berufsbildungszentrum der Provinzhauptstadt Bukavu. Das CAPA wurde in den 1980er Jahren unter anderem mithilfe des Kirchenkreises Herne gegründet.

Beitrag zum Ende von sexueller Gewalt als Kriegswaffe

In Bukavu gehörte ein Gespräch mit dem Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege zum Programm der Reise. Dem kongelesischen Gynäkologen war anlässlich seines Besuchs auf dem Kirchentag in Dortmund 2019 Unterstützung für seine Arbeit zugesagt worden war. Bei der Gelegenheit konnten die beiden westfälischen Vertreter einen Vertrag für ein zweijähriges Projekt mit der Panzi-Stiftung unterzeichnen. Sie hilft Kriegsopfern, wieder gesund zu werden, und will dazu beitragen, dem Einsatz sexueller Gewalt als Kriegswaffe ein Ende zu setzen. Das Projekt unterstützt vergewaltigte Frauen, die oft Unfassbares durchleiden mussten, bei ihrer sozialen Wiedereingliederung.

In Goma, der Provinzhauptstadt, stand der Antrittsbesuch bei der Kirchenleitung CBCA im Mittelpunkt. Jonathan Kivatsi, der erst vor Kurzem zum Kirchenpräsidenten der CBCA ernannt wurde, freute sich mit seinem Team über den Besuch. Es sei ein Moment des Trostes, die Gäste aus Deutschland begrüßen zu können. Denn kaum jemand komme noch in die Region, selbst Hilfsorganisationen hätten sich zurückgezogen.

Große Verzweiflung in den Camps der Vertriebenen

Wie sehr aber Unterstützung gebraucht wird, erfuhren die Besucher in Goma, im Flüchtlingslager Kanyaruchinya. Dort leben etwa 67 000 Menschen. Hier betreut die Kirche etwa 450 Kinder, die mit ihren Familien aus den Dörfern um Goma herum vertrieben wurden. Viele mussten ihre erntereifen Felder zurücklassen. Sie wurden von der aus dem Nachbarland Ruanda unterstützten Rebellenarmee M23 verjagt, die mit einem Belagerungsring um die Zweimillionen-Metropole Goma die Stadt von der Versorgung abschneiden will.

Die Lage der Menschen in den Camps ist schier verzweifelt. Wer sich eine kleine Plane leisten kann, bindet sie über eine selbst zusammengesetzte Hütte. Die anderen sind den vielen Regenfällen und der Feuchtigkeit ausgeliefert. Dreimal in der Woche bekommen die Kinder eine Mahlzeit. Angesichts der prekären Lage sagte Philipps eine weitere Soforthilfe der westfälischen Landeskirche in Höhe von 5000 Euro zu.

Auch die ruandische Partnerkirche der EKvW, die presbyterianische Kirche in Ruanda (EPR), stand auf dem Besuchsprogramm. Thema beim Gespräch mit dem Kirchenpräsidenten Pascal Bataringaya war eine mögliche zukünftige Zusammenarbeit mit der Kirche im Ostkongo. Ziel ist, trotz der Feindseligkeiten zwischen den Ländern grenzüberschreitend Begegnungen zu organisieren.

Zusammenarbeit mit kirchlichen Partnern

Philipps Resümee am Ende der Reise: „Es war sehr wichtig für mich, diese Region kennenzulernen. Die Begegnungen haben mich überzeugt, dass wir die Zusammenarbeit mit unseren kirchlichen Partnern weiterhin als wichtigen Teil unserer ökumenischen Verantwortung wahrnehmen werden.“

Menschen wie der Matrose Luc werden das gerne hören. Zugleich gilt es, Verantwortliche in Politik und Wirtschaft auch in Europa immer wieder an die prekäre Lage in diesem vergessenen Land der Erde zu erinnern.