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Organe oder Knochenmark spenden – Tattoos können Leben retten

Tattoos sind meist Körperschmuck. Doch Stammzell- und Organspende-Tattoos können Lebensrettung sichtbar machen und junge Menschen anregen, sich mit Spenden auseinanderzusetzen.

2023 hat der Der gemeinnützige Verein “Junge Helden” die Kampagne "OptInk" ins Leben gerufen - mit der Idee, sich ein Organspende-Tattoo stechen zu lassen
2023 hat der Der gemeinnützige Verein “Junge Helden” die Kampagne "OptInk" ins Leben gerufen - mit der Idee, sich ein Organspende-Tattoo stechen zu lassenImago / Funke Foto Services

Für viele ist es ein Statement für ein Lebensgefühl oder für Dinge, die ihnen im Leben wichtig sind: das Geburtsdatum der Liebsten, der Name des Sehnsuchtsortes, das Lebensmotto, ein durchdringend blickender Wolf. Es gibt unzählige Motive, die sich Menschen als Tattoo stechen lassen. Denn die eigene Haut lässt sich gut zur Selbstinszenierung nutzen. Doch es gibt auch Tattoos, mit denen sich Menschen als Organ- oder Knochenmarkspender zu erkennen geben.

Der gemeinnützige Verein “Junge Helden” möchte beispielsweise gezielt junge Menschen für die Organspende sensibilisieren und dafür werben. 2023 hat der Verein die Kampagne “OptInk” ins Leben gerufen – mit der Idee, sich ein Organspende-Tattoo stechen zu lassen, um so im Notfall seine Bereitschaft auszudrücken. Der Name verbindet die hierzulande gültige Zustimmungsregelung zur Organspende (englisch: “Opt-In”) mit dem englischen Begriff “Ink” für die beim Tätowieren verwendete Tinte.

Organspende-Tattoo: Kreis mit zwei weiteren Halbkreisen

Dafür hat der Verein ein Tattoo entwickelt: einen Kreis mit zwei weiteren Halbkreisen, die das Geschenk des Lebens symbolisieren sollen. Kreis und ein Halbkreis stehen zugleich für die englische Abkürzung “OD” – Organ Donor, also Organspender. Laut Angela Ipach, Mitbegründerin und Co-Geschäftsführerin des Vereins, haben sich bislang rund 25.000 Menschen das Organspende-Tattoo in über 800 teilnehmenden Tattoostudios stechen lassen.

 

 

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Noch ganz am Anfang steht das “TwinWin”-Tattoo, das für die Stammzellspende sensibilisieren möchte. Die Initiative geht auf den Osnabrücker Tätowierer Jers Laubinger zurück. Seine einjährige Tochter Hailey konnte vor zwei Jahren durch eine Stammzellspende gerettet werden. Nun möchte er, unter anderem unterstützt von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei DKMS, das Thema mit dem Verein “Stammzellhelden” in die Öffentlichkeit bringen.

Laubinger hat das Tattoo entworfen – es verbindet das Symbol für das Sternzeichen Zwilling (englisch: twin) mit einem DNA-Strang. Zudem erinnere es an eine Sanduhr, “weil Du ganz wenig Deiner Zeit abgeben kannst und Deinem genetischen Zwilling sehr viel Zeit schenkst”, erläutert Laubinger auf Instagram. “Das ganze ist eine Win-Win-Situation, weil Du helfen kannst – und jemand anderem wird geholfen”.

Wie aber erkennt man die Bedeutung eines solchem Tattoos? Schließlich lässt sich mancher auch asiatische Schriftzeichen, Runen oder andere ungewöhnliche Symbole stechen. Laut Ipach werden medizinisches Fachpersonal und Rettungskräfte bei Tagungen und Vorträgen für das Organspende-Tattoo sensibilisiert.

 

Eine Tätowiererin  sticht das Opt.Ink zur Organspende
Eine Tätowiererin sticht das Opt.Ink zur OrganspendeImago / Funke Foto Services

 

An einer gut sichtbaren Stelle gestochene Zeichen könnten zudem zu Lebzeiten eine Anregung sein, sich mit Freunden und Familie über das Thema auszutauschen. Nur wenn Angehörige die Bereitschaft zur Organspende kennen, “können sie im Ernstfall entsprechend entscheiden”, sagt Ipach.

Tattoo als Zeichen der Organspende: Hoffnung für mehr Spender

Laut Nadine Körner, Sprecherin der Deutschen Stiftung Organtransplantation, warten hierzulande derzeit mehr als 8.000 Menschen auf eine Organtransplantation – davon etwa 700 jedes Jahr vergeblich. Obwohl viele bekundeten, ihre Organe spenden zu wollen, werde nur ein Bruchteil tatsächlich Organspender, beobachten auch die Jungen Helden. Einen Grund sieht der Verein im Festhalten an der Zustimmungslösung, wonach jede und jeder Einzelne die Organspende ausdrücklich erlauben muss, etwa durch einen entsprechenden Ausweis. Der Verein setzt darauf, dass inzwischen jeder vierte Mensch in Deutschland tätowiert sei – und so auch viele grundsätzlich offen für solch ein Tattoo sein könnten.

Einer von ihnen ist Philipp Engel. Der 39-Jährige hat sich das Symbol 2023 im Nacken stechen lassen – auf seinem Oberkörper und den Armen war dafür kein Platz mehr. Als das Tattoo noch neu war, sei es ein, zwei Leuten aufgefallen, sagt Engel, der bereits einen Organspendeausweis hatte. Die meisten würden das Symbol nicht kennen – “es könnte auch eine Art von abstrakter Kunst sein”, findet der Braunschweiger. Er sieht es als Statement und Anregung, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen – “man braucht auch einen Organspendeausweis”.

Medizinerin sticht Tattoos für Organspender

Das bestätigt Körner. Anders als ein entsprechender Ausweis oder eine andere schriftliche Verfügung sei ein Tattoo nicht rechtsverbindlich. Wer seine Organe spenden möchte, sollte deshalb zusätzlich einen Organspendeausweis mit aktueller Anschrift und Unterschrift ausfüllen oder die Bereitschaft im Organspende-Register hinterlegen. Dabei könne auch die Entnahme auf bestimmte Organe oder Gewebe beschränkt und die Entscheidung jederzeit wieder geändert oder gelöscht werden. Dennoch sende das Tattoo die “positive Botschaft, dass der Träger die Organspende gut findet” und dieser zustimmen würde, sagt Körner. Im Notfall könne es ein “guter Anhaltspunkt für Angehörige” sein.

Die Bonner Hausärztin Diana Roesner unterstützt beide Tattoo-Initiativen. So spreche sie ihre Patienten “immer wieder aktiv auf die Organspende an”. Die 49-Jährige hat in ihren Praxisräumen ein separates Tattoo-Studio, in denen sie mit einer Mitarbeiterin tätig ist. Roesner habe schon früh “hobbymäßig tätowiert; Kunst und Medizin sind meine zwei Leidenschaften”.

Hype um Organspende-Tattoos hält an

Anfang 2024 habe es einen regelrechten Hype um die Organspende-Tattoos gegeben, weil die “Jungen Helden” die Idee intensiv beworben hätten, erinnert sich Roesner. “Damals haben wir sie täglich gestochen.” Noch immer erhalte sie im Schnitt jede Woche eine Anfrage. Die Medizinerin wird nun auf Wunsch auch kostenlos Stammzellspende-Tattoos stechen.

Info: Am 20. September – dem Weltkindertag und Internationalen Dankestag für Stammzellspender – findet erstmals ein Aktionstag für das Stammzellspende-Tattoo statt. Über 250 Tattoo-Studios aus ganz Deutschland haben sich laut DKMS für die Aktion bislang registriert. Sie stechen das “TwinWin”-Symbol kostenlos oder gegen eine kleine Spende. Rund 150 dieser Studios bieten laut DKMS-Sprecherin Julia Ducardus zudem Typisierungsaktionen geben, unter anderem durch Menschen, die bereits Stammzellen gespendet haben.