“Oma Minas Käsekuchen”

Die US-amerikanische Schriftstellerin Ruth Landy hat ein Buch zur Geschichte und Esskultur ihrer jüdischen Weinhändlerfamilie aus dem pfälzischen Landau geschrieben. Das Buch „Oma Minas Käsekuchen“ stelle dar, wie die Familie vor den Nationalsozialisten flüchten musste und sich in den USA ein neues Leben aufbaute, sagte Landy am Montag bei einer Video-Pressekonferenz in Landau. Durch die von der Urgroßmutter Wilhelmina („Mina“) Weil (1869-1941) und anderen weiblichen Familienmitgliedern weitergegebenen Erzählungen – und besonders in den Koch- und Backrezepten – lebe das jüdisch-pfälzische Erbe weiter, sagte die 1952 im schweizerischen Genf geborene Schriftstellerin Landy.

Amerikanische Originalausgabe und deutsche Übersetzung verstehen sich als Hommage an die bodenständige Urgroßmutter Mina Weil und die jüdischen Frauen in der Familie, sagte Landy. Mina Weil, die im badischen Östringen geboren wurde, lebte gemeinsam mit ihrem Ehemann Jakob, einem Landauer Weinhändler, und ihren Kindern im wenige Kilometer entfernten Lustadt.

Das Kochen und Backen jüdisch-deutscher Gerichte wie „Berches“ (jüdisches Zeremonienbrot) oder eben den in der Familie beliebten Käsekuchen halte die Erinnerung an die tragische Familiengeschichte wach, sagte Landy, die im kalifornischen San Francisco lebt. Der Käsekuchen stehe auch sinnbildlich für „die Süße des Lebens“, eine Lebensfreude, die sich die jüdische Familie trotz schrecklicher Erlebnisse bis heute bewahre.

Mit der Familienchronik verbinde sich die Hoffnung, das Andenken der Familie zu wahren und die von den Nationalsozialisten zerstörte Würde wiederzuerlangen und das friedliche Miteinander und die Demokratie zu fördern, sagte Landy. Antisemitismus sei der älteste Hass der Welt. Das Buch sei auch „ein Versuch, die Geschichte zu heilen“, sagte die Schriftstellerin. Die deutsche Übersetzung des Familienbuches mit 13 Koch- und Backrezepten haben die Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit in Landau und das Leo-Baeck-Institut in New York/Berlin unterstützt.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 war die Urgroßmutter Mina mit ihrem Mann Jakob zunächst im pfälzischen Lustadt geblieben. Das ältere Ehepaar flüchtete dann nach Holland, wo Jakob starb. Mina wurde als einziges Mitglied der Familie 1941 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet.

Ruth Landys Vater Ernest Levy – ein Enkel von Mina – war bereits 1937 in die USA emigriert, um dem NS-Terror zu entfliehen, ihre Tante Sue folgte einige Jahre später nach. Beide bauten sich in New York und San Franciso ein neues Leben auf und gründeten Familien. Auch Großmutter Erna Levy gelang nach einer Odyssee auf dem Flüchtlingsschiff „St. Louis“ schließlich 1939 im zweiten Anlauf über England die Flucht in die USA. Die „St. Louis“ durfte im kubanischen Havanna und in den USA nicht anlegen und musste nach Europa zurückkehren. Viele jüdische Schiffspassagiere wurden danach von den Nazis ermordet.

„Es gibt nichts Wichtigeres als jüdisches Leben zu schützen, zu bewahren und in Deutschland zu halten“, sagte der Landauer Oberbürgermeister Dominik Geißer (CDU) bei der Buchpräsentation. Die deutsche Bevölkerung müsse alles tun, damit es nie wieder zu einem Menschheitsverbrechen wie dem nationalsozialistischen Judenmord komme.

Angeregt durch die Fluchtgeschichte plant die Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit am 10. Oktober in Landau ein Symposium über jüdische Weinhändler in der Region und jüdische Weinkultur, informierte der Vorsitzende Wolfgang Pauly. Ruth Landys Buch öffne „den Blick in eine humane Zukunft, in der das deutsch-jüdische Miteinander als Bereicherung“ verstanden werde, sagte er. (1521/08.07.2024)