Özdemir ruft Waldboden zum Boden des Jahres 2024 aus

Über Jahrhunderte wurde seine Bedeutung unterschätzt. Der Waldboden wurde missachtet, ausgelaugt und zerstört. Inzwischen ist klar: Ohne ihn geht nichts im Kampf gegen Klimawandel. Ein Überblick zum Welttag des Bodens.

Er ist ein Schlüssel für eine gesunde Umwelt der Zukunft: der Waldboden. Und das nicht nur am Amazonas. Ohne ihn auch in Deutschland kein Erfolg bei der CO2-Speicherung. Ohne ihn kein funktionierender Wasserkreislauf. Und ohne ihn kein klima-stabiler Wald. Der Waldboden erbringt viele Leistungen.

„Wälder sind unsere wichtigsten Mitstreiter im Kampf gegen die Klimakrise. Die Waldböden sind das Fundament der Wälder: Sie sind dynamische, äußerst lebendige Lebensräume, die unablässig dazu beitragen, die Wälder im Gleichgewicht zu halten“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Dienstag in Berlin. Er äußerte sich bei einer Festveranstaltung, bei der das „Kuratorium Boden des Jahres“ den Waldboden zum „Boden des Jahres 2024“ ausrief.

Waldböden umfassen fast ein Drittel der Landesfläche Deutschlands. Bis vor etwa 5.000 Jahren waren mehr als 90 Prozent Deutschlands von Wäldern bedeckt. Durch Rodungen und die ackerbauliche und industrielle Nutzung ist der Anteil deutlich zurückgegangen.

Auch die Qualität der Waldböden hat gelitten. Die Bevölkerung, aber auch die Land- und Forstwirtschaft hätten der Funktion und Qualität des Waldbodens über Jahrhunderte hinweg zu wenig Bedeutung beigemessen, räumte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Forstleute (BDF), Ulrich Dohle, selbstkritisch ein.

Mit den Wäldern wurde Raubbau betrieben: Von den mittelalterlichen Rodungen waren vor allem die fruchtbaren Laubwaldböden betroffen, so dass sich bereits damals der Nadelwaldanteil erhöhte. Schiffsbau, Bergbau, Eisenbahnbau, Beweidung und Metallverarbeitung sorgten im 18. und 19. Jahrhundert für einen massiven Niedergang der Wälder und eine Verarmung der Böden.

Heute stehen Wälder meist auf nährstoffärmeren und steinigeren Böden, in denen Bäume mehr schlecht als recht überleben. Das macht sie besonders sensibel für externe Einflussfaktoren. Heute wird der Waldboden auch durch ein Stickstoffüberangebot in Regen und Schnee, durch klimawandelbedingten Trockenstress sowie durch Kahlflächen stark beeinträchtigt. Auf einer Fläche so groß wie das Saarland sind die Wälder abgestorben.

Auf den Kahlflächen werden in großem Umfang Pflanzennährstoffe ausgewaschen und das Treibhausgas Kohlendioxid freigesetzt. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium sind in den Wäldern in Deutschland rund 2,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Rund die Hälfte davon, nämlich 1,3 Milliarden Tonnen, steckt im Boden bis 90 Zentimeter Tiefe und in der Streuauflage.

Ein artenreicher Wald, wie er heute angesichts des Klimawandels angestrebt wird, sei nur möglich, wenn der „unterirdische Wald“ ähnlich aufgebaut sei wie über dem Erdboden, so Dohle. „Da unsere Waldböden nicht gedüngt und gepflügt werden, müssen die unzähligen Bodenlebewesen für Nährstoffrecycling, Belüftung, Auflockerung und Verbesserung der Wasseraufnahmefähigkeit sorgen.“

Dabei ist das Zusammenspiel der Baumwurzeln mit dem Bodenleben auch heute noch wenig erforscht. Fest steht: Pilze, Bakterien, Einzeller und Tiere, aber auch ein dichtes Wurzelwerk unterschiedlicher Pflanzen halten den Stoffhaushalt in Gang, sie lockern den Boden und schaffen Hohlräume, die für die Zirkulation von Luft- und Wasser wichtig sind. Allein die über 30 Regenwurmarten schaffen ein eigenes Hohlraumsystem im Boden.

Laub, Nadeln und verrottendes Holz bilden zudem mit Hilfe der Bodentiere und Mikroorganismen eine Humusauflage, die die Bäume mit Nährstoffen versorgt. Durch Humusbildung speichern Waldböden auch hohe Mengen an organischem Kohlenstoff und stabilisieren das Klima. Die Humusauflage kann allerdings durch Bewirtschaftungsfehler – etwa eine Bodenverdichtung durch Erntemaschinen – zerstört werden.

Der Waldboden hat auch eine besondere Funktion im Wasserkreislauf: Die Humusauflage und der obere Mineralboden wirken wie ein großer Schwamm, der jeden Wassertropfen aufsaugt und festhält. Niederschläge versickern langsamer, so wird das Grundwasser gespeist und der oberirdische Wasserabfluss verzögert. Zusätzlich wird das Wasser auf dem Weg durch den Waldboden gereinigt und gefiltert.