Österreich wählt – Kirchen mahnen zu verantwortlicher Entscheidung

Zum ersten Mal könnte die rechtspopulistische FPÖ bei den Nationalratswahlen in Österreich stärkste Kraft werden. Im Wahlkampf warb sie mit dem Slogan “Euer Wille geschehe” – setzt jedoch auf wenig christliche Positionen.

Am Sonntag wählt Österreich. Die Aufmerksamkeit gilt vor allem der FPÖ und ihrem Spitzenkandidaten Herbert Kickl. Seit Monaten führen die Rechtspopulisten die Umfragen an. Ein Wahlsieg der Freiheitlichen Partei Österreichs wäre für das Land eine Premiere – auch wenn rechte Positionen in der Politik bereits seit langem vertreten sind.

Aktuell wird das Land von einer Koalition aus Österreichischer Volkspartei (ÖVP) und Grünen unter Bundeskanzler Karl Nehammer regiert, der auch erneut als Spitzenkandidat der ÖVP antritt. Umfragen zufolge werden ÖVP und FPÖ den Wahlsieg unter sich ausmachen.

Demoskopen sehen Österreich vor einer grundlegenden Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse. Die regierende ÖVP muss demnach mit deutlichen Verlusten rechnen, sie kommt laut Umfragen auf etwa 24 bis 26 Prozent. Bei der Wahl 2019 erhielt sie 37,5 Prozent der Stimmen. Zum ersten Mal in der Geschichte könnte die FPÖ zur stärksten politischen Kraft in Österreich werden: Sie kommt derzeit auf Werte um die 28 Prozent. Die SPÖ hält den Angaben zufolge mit etwa 20 Prozent der Stimmen ihr Ergebnis von 2019. Abgeschlagen scheinen die Grünen, die voraussichtlich die Hälfte ihrer Wählerschaft verlieren und nur noch etwa sieben bis neun Prozent bekommen.

Eines der zentralen Themen im Wahlkampf ist die Migration – sowohl seitens der Parteien als auch in der Wählerwahrnehmung. Während die ÖVP mit Stabilität und Sicherheit für die Bürger wirbt, verspricht die FPÖ eine strikte Zuwanderungsbegrenzung nach dem Vorbild Victor Orbans in Ungarn. Außerdem: “Remigration”. Die FPÖ will Abschiebungen deutlich forcieren.

Das geltende Asylrecht in Österreich solle per Notgesetz ausgesetzt werden, heißt es im FPÖ-Wahlprogramm. “Keine Asylanträge in Österreich. Wir sind von sicheren Ländern umgeben. Wer die Völkerwanderung stoppt, der stoppt damit auch den Import des Islamismus”, macht FPÖ-Kanzlerkandiat Herbert Kickl seine Position deutlich. Er tritt mit dem Anspruch an, “Volkskanzler” zu werden. So nannte sich schon Adolf Hitler.

Positionen, die bei christlichen Organisationen in Österreich für Widerspruch sorgen. Die Vorsitzende der “Katholischen Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich” (KABÖ), Anna Wall-Strasser, betonte jüngst, sie finde es “bedenklich, wenn Politiker:innen gerade im Wahlkampf nach rechtsaußen abdriften und entsprechende Signale senden”. Es gelte, die Migrationsdebatte mit “Mut, Vernunft und Zuversicht” zu führen und dabei humane Werte und Menschenrechte hochzuhalten; besonders Christinnen und Christen seien hier in der Verantwortung.

Für Kritik aus den Reihen der Kirchen sorgte im Wahlkampf vor allem ein FPÖ-Wahlplakat, auf dem diese in Anlehnung an das Vaterunser mit dem Slogan “Euer Wille geschehe” warb. Die Partei spiele mit dem wichtigsten Gebet für Christinnen und Christen, so der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, Peter Schipka. “Wer das tut, dem muss bewusst sein, dass er mit etwas spielt, das Menschen heilig ist und damit diesen Menschen nicht die Wertschätzung entgegenbringt, die sie verdienen.”

Eine klare Verurteilung der FPÖ seitens der österreichischen Bischöfe, vergleichbar mit der Kritik der deutschen Bischöfe an der AfD, gab es nicht. Wie üblich gaben die Kirchen auch keine Wahlempfehlungen ab, riefen jedoch zu verantwortlichen Entscheidungen auf – etwa mittels verschiedener Leitfäden, die von der katholischen und der evangelischen Kirche herausgegeben wurden.

Der Leitfaden “Christlich verantwortlich wählen”, erarbeitet von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und der Katholischen Sozialakademie Österreichs, klopft verschiedene Politikfelder auf Kriterien der christlichen Sozialethik ab. Man wolle “keine Wahlempfehlung” aussprechen, so die Initiatoren. Sie könnten jedoch auch nicht verhehlen, dass das Erstarken gerade der FPÖ sie mit Sorge erfülle. Viele von der Partei vertretene Positionen seien nicht nur rechtspopulistisch, sondern beinhalteten “rechtsnationale, rechtsextreme und völkisch-nationale politische Optionen” – und sie seien insofern “klar unvereinbar mit christlichen Grundsätzen”.

Sollte die FPÖ am Sonntag stärkste Kraft werden, wird ihr 55 Jahre alter Parteichef nicht zwingend “Volkskanzler”. Dafür bräuchte es einen Koalitionspartner, der ihn dazu macht. Der derzeitige Kanzler und ÖVP-Chef Nehammer schloss wiederholt aus, mit Kickl als Regierungschef zusammenzuarbeiten. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen stellte sich gegen Kickl als Kanzler.