Ökologische Krise: Wissenschaftler fordern politischen Aufbruch

Mit einem Aufruf zu ganzheitlicher Krisenbewältigung haben sich der Club of Rome und das Wuppertal Institut an die Öffentlichkeit und die Politik in Deutschland gerichtet. Sie stellten am Montag in Berlin ihr Konzept für einen ökologischen und sozialen Aufbruch vor. „Wir müssen den Blick viel stärker auf die Chancen und immensen Potenziale richten“, erklärte der Präsident des Wuppertal Instituts, Manfred Fischedick. Resignation sei kein guter Ratgeber. Es komme vielmehr darauf an, soziale und ökologische Herausforderungen gleichzeitig anzugehen.

In ihrem Konzept „Earth for All Deutschland“ formulieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zentrale „Kehrtwenden“. Dazu zählen die Beseitigung der Armut und Verringerung der Ungleichheit. Gelinge dies nicht, werde auch die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu mehr Klimaschutz und geringerem Ressourcenverbrauch nicht gelingen. Um den Verbrauch zu verringern, müssten das Ernährungssystem und die Energieversorgung umgebaut werden. Zugleich müsse dafür gesorgt werden, dass alle Bevölkerungsschichten Zugang zu gesunden Lebensmitteln und klimaschonender Energie haben, heißt es in dem Konzept. Andernfalls werde es enormen Widerstand geben. Klimapolitik werde scheitern, wenn sie die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffne.

Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner, wies darauf hin, dass die Klimapolitik und der Green Deal der Europäischen Union durch neue Krisen und Kriege überlagert würden. In der Landwirtschaftspolitik etwa sei man in den Jahren 2020 und 2021 schon weiter gewesen als heute. Messner ging auch auf die Stimmung in der Bevölkerung ein. Umfragen des UBA ergäben, dass zwar 90 Prozent der Bevölkerung dafür seien, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen, aber 70 Prozent verunsichert seien, weil sie nicht erkennen könnten, welchen Weg die Politik einschlage. Zugleich fürchteten 40 Prozent um ihren Wohlstand. Diese Mischung führe zu einer Veränderungsmüdigkeit, die überwunden werden müsse.

Zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen in Deutschland verlangen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Abbau klimaschädlicher Subventionen, eine Lockerung der Schuldenbremse und eine stärkere Besteuerung der Reichsten. UBA-Präsident Messner erklärte, 30 Milliarden Euro der insgesamt 68 Milliarden Euro an klimaschädlichen Subventionen in Deutschland pro Jahr könnten im Verlauf einer Legislaturperiode abgebaut werden, da es sich um nationale Subventionen handele. Dazu zählen etwa die steuerliche Begünstigung von Dienstwagen und Dieselkraftstoff.

Ohne einen drastischen Abbau der Ungleichheiten seien die multiplen Krisen der Ökologie unlösbar, betonte Peter Hennicke vom Club of Rome, Ökonom, Energie-Experte und vormaliger Direktor des Wuppertal Instituts. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung verursachten weltweit 50 Prozent der CO2-Emissionen, die ärmsten 50 Prozent nur knapp zehn Prozent. Auch in Deutschland sei die Ungleichheit hoch: Die oberen zehn Prozent besäßen 60 Prozent des Vermögens. Der Club of Rome fordere daher: „Tax the Rich“, also die Besteuerung der Reichen, sagte Hennicke.

Der Club of Rome ist einer der bekanntesten Thinktanks der Welt. Im Jahr 1972 hatte er mit dem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ die ökologische Frage als zentrale Zukunftsfrage thematisiert. Das 1991 gegründete Wuppertal Institut erforscht, wie die ökologische Transformation einer Industriegesellschaft gelingen kann. „Earth for All“ (Earth4All) ist ein internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen, der sich mit den Konsequenzen der ökologischen Krise für nationale und internationale Politik beschäftigt.