Nur Randale? – Nein!

Ein westfälischer Pfarrer war in Hamburg dabei und sagt: „Es gab absolut friedliche Proteste.“ Eine persönliche Nachlese von Klaus Göke

Orangefarbene Luftballons hängen in der ganzen Kirche. Wie viele andere lese ich darauf: „global. gerecht. gestalten“. Mit mehr als 800 Menschen bin auch ich zu dem ökumenischen Gottesdienst in der Hauptkirche St. Katharinen in Hamburg anlässlich des „G20“-Gipfel gekommen. Das kirchliche Bündnis „global.gerecht.gestalten“, das Bündnis „Erlassjahr.de“, die Aktion „Brot und Rosen“ sowie die „Initiative gegen Rüstungsexporte“ gestalten die ökumenische Feier mit.
Die Ausschreitungen und die Gewalt auf den Straßen der Hansestadt rund um das Treffen der 20 wichtigsten Staats- und Regierungschefs sind unterdessen längst um die Welt gegangen. Sie werden auch in dem Gottesdienst verurteilt. Danach ziehen zwei große Demonstrationszüge friedlich durch die Hansestadt, um gegen die Politik der G20-Staaten zu protestieren.

Staaten, die ihre Schulden wohl nie tilgen können

Doch während der ganzen Zeit des G20-Gipfels Anfang Juli flimmen Bilder von Krawallen und Ausschreitungen aus Hamburg in die  Wohnzimmer: Prügeleien zwischen vermummten Demonstranten und der Polizei, brennende Autos, geplünderte Geschäfte. Auch für mich sind diese Ausschreitungen furchtbar und auf jeden Fall zu verurteilen. In der Berichterstattung geht aber leider unter, dass es viele Protestaktionen gibt, die absolut friedlich und gewaltfrei ablaufen.
Bei einer Podiumsdiskussion, zu der das Bündnis „Erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung“ eingeladen hat, richtet sich der Blick auf Länder, bei denen es Zweifel gibt, dass sie wegen einer hohen Verschuldung ihre Schulden jemals tilgen können. Das betrifft etwa Tansania, Mozambique, Ecuador oder Georgien. Schon zu Beginn der Veranstaltung werden wir mit der Sicherheitslage konfrontiert: Als ich aus der S-Bahn-Station aussteigen will, lassen  mich Polizisten in voller Kampf-Ausrüstung erst nicht den Ausgang nehmen. Schließlich drücken sie aber ein Auge zu. Andere, die unsere Diskussion besuchen wollen, haben weniger Glück. Auch für den Caterer gibt es kein Durchkommen.
In der Veranstaltung führen ein Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds und eine Beamtin aus dem Finanzministerium eine lebendige Diskussion. In der letzten Stunde der Veranstaltung gucken dann aber immer mehr von uns oft auf ihre Handys und lesen die Schlagzeilen zu Hamburg: Randale und Ausschreitungen im Schanzenviertel! Wir fragen uns: Kommen wir angesichts der Sicherheitslage und der teilweise geschlossenen S-Bahn-Stationen noch in unsere Quartiere?
Am letzten Gipfeltag stehen am Rande der Demonstration, die vom Bündnis „Hamburg zeigt Haltung“ organisiert wurde, wieder Wasserwerfer der Polizei bereit. Bei mir kommt ein sehr beklemmendes Gefühl auf. Das lässt allerdings schnell wieder nach. Denn die Demonstration ist bunt und fröhlich und klar in ihren Aussagen. Keine Gewalt, aber kreativer Protest gegen die Politik der G20-Staaten: Für mehr Klimaschutz, für die Wahrung der Menschenrechte, für faire Arbeitsbedingungen für alle. Diese Botschaften haben es verdient, breit in die Öffentlichkeit getragen zu werden.

Der Autor, Klaus Göke, ist Pfarrer in Bottrop und Regionalpfarrer des Amtes für Mission, Ökumene und Weltverantwortung der Evangelischen Kirche von Westfalen sowie Vorstandsmitglied des Bündnisses „Erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung“.