Norddeutsches Hochwasser gefährdet auch seltene Wildtiere

Die angespannte Hochwasserlage im Nordwesten Deutschlands gefährdet nicht nur Menschen und ihre Häuser, sondern auch zahlreiche Wildtiere. „Sie haben zwar ihre Strategien bei Wind und Wetter. Länger andauerndes Hochwasser kann aber auch für sie tödlich sein“, sagt Klaus Hackländer, Wildtierbiologe und Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Betroffen seien vor allem Tiere, die im und am Boden leben. „Verlierer sind Käfer, Insekten und Winterschläfer wie die Haselmaus, Feldhamster oder Igel“, sagt Hackländer. Wie viele Wildtiere bereits ertrunken sind, sei überhaupt nicht abschätzbar.

Junge Hummelköniginnen, die sich im Boden zum Überwintern eingegraben haben oder die abgelegte Brut von Wildbienen würden Überschwemmungen nicht überstehen. Schlechte Überlebenschancen hätten auch Feldhamster, die bis April im unterirdischen Bau Winterschlaf halten, hieß es. Die Nagetiere sind auf der Roten Liste für Deutschland als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. In vielen Regionen sei die Art verschwunden, in Niedersachsen gebe es nur noch kleine Bestände. „Durch ihre verinselte Verbreitung kann das Hochwasser auf einem Acker einen lokalen Feldhamster-Bestand komplett auslöschen“, sagt Feldhamster-Experte Simon Hein von der Deutschen Wildtier Stiftung.

Maulwürfe hätten dagegen durchaus eine Überlebenschance, falls sie es schaffen, rechtzeitig ihren Bau zu verlassen. Wenn möglich, bauen sie eine oberirdische sogenannte Sumpfburg, die gut einen Meter hoch und einen Durchmesser von bis zu anderthalb Metern haben könne, erklärt Hackländer. Andere Wildtiere wie Rehe, Hirsche, Wildschweine und Füchse würden sich in der Regel an trockenere Orte im Wald zurückziehen – vorausgesetzt, dass diese überhaupt noch zu finden seien. „Feldmäuse können zwar schwimmen und klettern. Aber viele haben es nicht mehr geschafft, dem Hochwasser zu entkommen“, sagt der Biologe.

Grundsätzlich mache das Hochwasser vor allem jungen Wildtieren zu schaffen: „Wenn sie es überlebt haben, drohen sie später durch die anhaltende Feuchtigkeit krank zu werden“, erklärt Hackländer. Frischlinge von Wildschweinen, die noch keine wasserabweisende Unterwolle besitzen, würden schnell auskühlen und könnten eine Lungenentzündung bekommen. Auch für Feldhasen sei langanhaltender Regen ungünstig. Sie seien ursprünglich Steppenbewohner und hätten bereits ersten Nachwuchs. „Die im Januar geborene Feldhasen sind noch sehr empfindlich, können krank werden und sterben“, sagt der Stiftungschef. Feldhasen werden in der Roten Liste als „gefährdet“ aufgeführt.

„Wichtig ist, den betroffenen Tieren erhöhte Orte zu bieten, an die sie sich zurückziehen können“, sagt Hackländer. Hoch gelegene Rückzugsgebiete wie die Deiche sollten die Menschen derzeit meiden. „Wer als Hochwasser-Tourist auf Hügeln und Deichen spazieren geht, treibt Rehe, Hasen und andere Wildtiere wieder zurück in die Fluten“, kritisiert der Stiftungschef. Aus Respekt vor den Tieren sollten solche Orte tabu sein.

Nach anhaltendem Dauerregen sind aktuell viele große und kleine Flüsse in Norddeutschland über die Ufer getreten – vor allem in Niedersachsen verschärft sich die Hochwasser-Situation. Betroffen sind Orte an Weser, Aller und Leine. Auch in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg melden zahlreiche Pegelstellen von Gewässern einen hohen Wasserstand, teilweise mit Überschwemmungsgefahr.