Neues monumentales Standardwerk zum deutschen Dokumentarfilm
Ein monumentales neues Buch zeichnet die Geschichte des Dokumentarfilms in Deutschland auf fast 400 Seiten nach. Das reich bebilderte Werk ist bei der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen und konkurrenzlos günstig.
Wer das neue Buch „Dokumentarfilm in Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart“ von Peter Zimmermann zum ersten Mal in die Hand nimmt, ist angenehm überrascht. Das mit 397 Seiten umfangreiche Groß-Oktavformat ist großzügig layoutet und mit 264 teils farbigen Abbildungen bestens gedruckt. Außerdem ist es mit einem Verkaufspreis von 7 Euro unschlagbar günstig. Der Preis erklärt sich daraus, dass das Werk von der Bundeszentrale für Politische Bildung im Rahmen ihrer Materialien angeboten wird.
Dass die Bundeszentrale eine solche eher medienwissenschaftliche Publikation herausgibt, ist nicht so ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick vielleicht erscheint. Denn Autor Peter Zimmermann, der lange Jahre als wissenschaftlicher Leiter im Haus des Dokumentarfilms in Stuttgart arbeitete, verbindet seine Rekonstruktion der Dokumentarfilmgeschichte mit einer pointierten Darstellung der allgemeinen Geschichte Deutschlands – vom Kaiserreich über Weimarer Republik, Nazizeit, Bundesrepublik und DDR bis zur Wiedervereinigung und danach.
Diese politisch fundierte Darstellung ist doppelt legitimiert. Zum einen ist die Produktion dokumentarischer Filme – von den ersten Darstellungen des Kaisers Ende des 19. Jahrhunderts bis zu den über Internet verbreiteten Videoclips gegenwärtiger Politiker – durch die Themen, Vorstellungen und Zwecke der jeweiligen Politik mitbestimmt. Zum anderen haben dokumentarische Filme immer wieder auf sehr unterschiedliche Weise – von der schieren Propaganda bis zu einer scheinobjektiven Darstellung – auf die Politik zurückgewirkt.
In dem materialreichen Überblick fördert Zimmermann immer wieder interessante, mitunter auch verblüffende Erkenntnisse zutage. Etwa wenn es um Verstrickungen in den Nationalsozialismus geht oder darum, wie während der 1950er-Jahre in der Bundesrepublik wie in der DDR die Perspektive der NS-Propagandafilme „gebrochen wurde“.
Wobei diese durch zwei widersprüchliche Betrachtungsweisen ersetzt worden sei, „die zwar beide mehr oder weniger antifaschistisch waren, (aber) die Funktionalisierung dokumentarischer Zwecke für politische Zwecke übernahmen“, so der Autor.
Auch für die nachfolgenden Jahrzehnte bettet Zimmermann plausibel den klassischen Autoren-Dokumentarfilm in die Entwicklungen ein, die dokumentarische Formen im Fernsehen nahmen – vom politischen Magazin-Journalismus der 1960er Jahre bis zu den Spekulationen der Privaten in den Real-Life-Formaten dreißig Jahre später.
So setzt er auch die auf Gesprächen beruhenden Dokumentarfilme in den Zusammenhang dessen, was heute pauschal als „Talkshow“ bezeichnet wird. Verdienstvoll ist auch, wie er die Veränderung von Themen im Laufe der Jahrzehnte nachzeichnet, etwa in den Filmen zur Industriearbeit oder zu ökologischen Problemen und Katastrophen.
Insgesamt wird die Lektüre des Buches durch eine Reihe von Wiederholungen und auch durch einige Fehler beeinträchtigt. Auch muss man nicht jedes Urteil und jede Bewertung Zimmermanns nachvollziehen können. Und dennoch bleibt das neue Buch eine verdienstvolle Arbeit, die man in Zukunft als ein Standardwerk sicher oft in die Hand nimmt.