Neues Gesetz soll Hausarzt-Tätigkeit attraktiver machen

Wird Deutschland auch morgen noch gut durch Hausärzte versorgt? Schon heute sind Hunderte Praxen nicht besetzt. Der Bundesgesundheitsminister will gegensteuern und die ambulante Versorgung attraktiver machen.

Karl Lauterbach hat sich viel vorgenommen: Neben der Reform der Krankenhauslandschaft in Deutschland will der Bundesgesundheitsminister auch die ambulante ärztliche Versorgung stärken. Dazu stellte der Minister am Mittwoch in Berlin das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune vor. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt zentrale Bestandteile des Gesetzes.

Lauterbach will die ambulante Versorgung vor Ort deutlich attraktiver machen. Hintergrund ist vor allem ein möglicher Ärztemangel durch die sich abzeichnende Ruhestandswelle. Zwar hatte es Ende vergangenen Jahres mit 51.389 wieder mehr Hausärztinnen und Hausärzte gegeben als im Jahr zuvor. Zehn Jahre zuvor waren es aber noch 52.262 gewesen. Die Bundesärztekammer rechnet bis zum Jahr 2040 mit einer Lücke von insgesamt 30.000 bis 50.000 Ärztinnen und Ärzten in Deutschland. Hintergrund ist vor allem der demographische Wandel. Schon heute sind rund 97.000 berufstätige Ärztinnen und Ärzte (oder rund 23 Prozent) 60 Jahre oder älter. Zugleich wandelt sich auch das Berufsbild: Immer mehr Ärztinnen und Ärzte wollen in Teilzeit oder als Angestellte arbeiten.

Aus Lauterbachs Sicht sind Hausärztinnen und Hausärzte meistens die ersten Ansprechpersonen für Versicherte. Sie seien Lotsen im Gesundheitssystem und könnten einen überwiegenden Teil der medizinischen Beschwerden kompetent und schnell behandeln. Zudem trügen sie dazu bei, die Inanspruchnahme teurerer Strukturen wie der Notaufnahmen in Kliniken zu verringern.

Bisher bekommen Hausärzte, die besonders viele Patienten behandeln, nicht alle Kosten erstattet. Ihre Vergütung ist gedeckelt. Das neue Gesetz sieht demgegenüber vor, dass alle Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung von mengenbegrenzenden oder honorarmindernden Maßnahmen ausgenommen werden – ähnlich wie zuvor bei Kinder- und Jugendmedizinern. Auch Hausbesuche sollen künftig von den Krankenkassen in voller Höhe vergütet werden. Ein weiterer Punkt des Gesetzentwurfes sind medizinische Versorgungszentren (MVZ), in denen Mediziner gemeinsam ihre Leistungen anbieten. Für Kommunen soll es einfacher werden, solche Zentren zu gründen.

Die Quartalslogik soll durchbrochen werden. Praxen sollen chronisch Kranke ohne hohen Pflegebedarf nicht mehr pro Quartal einbestellen und abrechnen müssen. Künftig soll es eine jahresbezogene Versorgungspauschale für diese Patienten geben. Ziel ist es, unnötige Arzt-/Praxis-Patienten-Kontakte zu verringern und gleichzeitig eine angemessene Honorierung der hausärztlichen Leistungen zu gewährleisten.

Praxen, die bestimmte, noch festzulegende Kriterien erfüllen, sollen eine neue “Vorhaltepauschale” bekommen. Dabei soll es etwa um eine Mindestzahl an Patienten, Haus- und Pflegeheimbesuche, oder Sprechstunden auch abends und an Samstagen gehen. Außerdem sollen Versicherte, die an hausarztzentrierten Versorgungsprogrammen teilnehmen, durch Bonusleistungen der Krankenkassen gefördert werden.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, den flächendeckenden Zugang zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Psychotherapeutisch tätige Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die überwiegend oder ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln, sollen zukünftig eine eigene bedarfsplanungsrechtliche Arztgruppe bilden. Dies ermögliche “eine zielgenauere Steuerung der Niederlassungsmöglichkeiten” für entsprechende Praxen.

Die Stimme der Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem obersten Entscheidungsgremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, wird gestärkt. Dafür sollen die Beteiligungsrechte erweitert und die Entscheidungen des G-BA beschleunigt werden. Die Zusammenarbeit des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft wird gesetzlich festgeschrieben.

Der Verband der Hausärzte begrüßt die Aufwertung. Krankenkassen und Patientenschützer fordern Nachbesserungen. Mehr Geld für Hausärzte löse die Probleme nicht, erklärte die Deutsche Stiftung Patientenschutz. “Auch hängt die Entscheidung für eine Praxis im ländlichen Raum neben Verdienstmöglichkeiten von weiteren Standortfaktoren ab.” Auch der Verband der Ersatzkassen warnt vor Fehlsteuerungen: Das Gesetz erhöhe vor allem die Attraktivität der ärztlichen Betätigung in Ballungsräumen. Ländliche Regionen, die eine Stärkung brauchten, profitierten weit weniger. Die Kassen betonen zudem, dass das Gesetz zu Mehrbelastungen der Versicherten und Arbeitgeber in Höhe von geschätzt jährlich 300 Millionen Euro führen werde.

Die Gesundheitskioske hat Lauterbach ebenso wie das Aus für homöopathische Leistungen auf Kassenkosten und die Finanzierung zusätzlicher Medizinstudienplätze aus Beitragsgeldern der Versicherten aus dem Gesetzentwurf zunächst herausgenommen. Der Minister hält aber an den Zielen fest. Die Krankenkassen betonen, dass die Finanzierung von Medizinstudienplätzen nicht Sache der Beitragszahler, sondern Aufgabe der Steuerzahler und konkret der Länder sei. Bei den Gesundheitskiosken argumentieren die Kassen, es handele sich im Kern um kommunale Sozialarbeit; deshalb müssten sie von den Kommunen finanziert werden. Kassen und Ärzteverbände, aber auch die FDP warnen darüber hinaus vor teuren Doppelstrukturen neben Hausarztpraxen und Krankenhäusern.