Neues Gemeindezentrum für Walsleben

Auf dem Weg in die Zukunft: Das Gartenhaus in Walsleben wird zu einem Gemeindezentrum ausgebaut – nicht nur für kirchliche Zwecke.

Grundsteinlegung in Walsleben – Grund zum Feiern und Beten. Zimmermann Marcel Ritthaler lötet die Zeitkapsel zu, im Hintergrund Bauausschuss-Vorsitzender Johannes Pritzkow
Grundsteinlegung in Walsleben – Grund zum Feiern und Beten. Zimmermann Marcel Ritthaler lötet die Zeitkapsel zu, im Hintergrund Bauausschuss-Vorsitzender Johannes PritzkowKatharina Körting

Noch fehlen nicht nur Fenster und Türen, aber der Grundstein für den Um- und Anbau des Gartenhauses im Pfarrgarten wurde kurz vor Pfingsten am 25. Mai gelegt. Das entstehende Haus der kirchlichen und weltlichen Begegnung kann als Modellprojekt gelten.

„Wir sind hinter unseren binnenkirchlichen Fassaden hervorgekommen, haben unsere gemeindlichen Selbstbespielungskreise verlassen“, sagt Pfarrer Alexander Stojanowič, „und sind auf Menschen unterschiedlicher Kultur, Herkunft und Profession zugegangen.“ Nun entstehe ein „Haus, in dem Kultur, Digitalität und Schöpfung einen immanenten Platz haben“.

Wie eine Zeitkapsel

Jede Grundsteinlegung verführt zur Feierlichkeit, ragt doch die Gegenwart als künftige Vergangenheit in die Zukunft hinein wie eine Zeitkapsel. „Zukunft T“ heißt denn auch das regionale Zukunftsnetzwerk Temnitz, zu dem das Projekt gehört. Dessen Zentrum soll Walsleben werden. „Wir gehen neue Wege und brechen bewusst Strukturen auf“, sagt Monika Ebeling, GKR-Vorsitzende der Gesamtkirchengemeinde Temnitz. Es habe konträre Meinungen zu dem Projekt gegeben, aber das Fundament für einen „Ort der Offenheit, Gastfreundschaft und Kommunikation“ sei geschaffen. Damit wolle man „die Lebensqualität in unserer ländlichen Region erhöhen“. Das sei „nur möglich, wenn wir uns mit den Bürgern der weltlichen Gemeinde und dem Amt Temnitz vernetzen“.

Als inhaltliche Schwerpunkte nennt GKR-Vorsitzende Ebeling „Digitales, Umwelt und Kultur“. Man hat sich also viel vorgenommen, und auch der Amtsdirektor von Amt Temnitz, Thomas Kresse, ist gekommen, um gewissermaßen den weltlichen Segen zu geben.

Joachim Pritzkow und Monika Ebeling versenken den Grundstein
Joachim Pritzkow und Monika Ebeling versenken den GrundsteinKatharina Körting

19 Dörfer, 3 Partner

Der Ort liegt im Landkreis Ostprignitz-Ruppin, im Kirchenkreis Wittstock-Ruppin. „Die Gesamtkirchengemeinde Temnitz umfasst 19 Dörfer“, erläutert Stojanowič, „Walsleben ist die geografische Mitte“. Dort ist auch der Sitz des Amtes Temnitz, neben Kirchengemeinde und Gemeinde Walsleben einer von drei Kooperationspartnern.

Die Initiative für das Projekt ging von der Kirchengemeinde aus. „Von den Baukosten trägt sie ein Drittel“, sagt Joachim Pritzkow, Leiter des Bauausschusses. Weitere Mittel kämen von der Investitionsbank des Landes Brandenburg, aus dem Fördermittelprogramm „Kulturelle Ankerpunkte“ des Landes Brandenburg und von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Auch der Kirchenkreis hat sich beteiligt, bestätigt dessen stellvertretender Superintendent Hans-Christoph Schütt. Wie hoch die einzelnen Fördersummen sind, will Pfarrer Stojanowič angesichts komplizierter Strukturen zurzeit ebensowenig veröffentlicht sehen wie die Gesamtsumme.

Wenn alles glattgeht, könnte das Haus noch Ende des Jahres eröffnet werden. Ein „ehrgeiziger, aber machbarer Zeitplan“, meint der Bauingenieur Andreas Nisse vom beauftragten Ingenieurbüro für Baustatik und Sanierung (IBS) in Hoppegarten. Gut 160 Quadratmeter Nutzfläche entstehen im Gartenhaus, das vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut wurde. Bis in die 1950er Jahre diente es, unter anderem als Schweinstall, dem Pfarrer zur Selbstversorgung. In den 1960er Jahre fanden dort der Posaunenchor sowie die Christenlehre Unterkunft, zuletzt diente es den Kinder- und Jugendgruppen als Treffpunkt. Für sie wird das Dachgeschoss ausgebaut. Unten entsteht Platz für eine barrierefreie Küsterei. Geplant ist außerdem eine rund 100 Quadratmeter große Terrasse.

Nachhaltig heizen mit Erdwärme

Die Heizenergie des Gartenhauses soll vollständig aus Erdwärme, Geothermie genannt, gewonnen werden. Dafür werden nach Angaben von Bauingenieur Nisse Rohre rund 90 Meter tief in den Boden getrieben. Auch das Pfarrhaus soll später von der klimafreundlichen Technik profitieren, entsprechende Förderanträge sind allerdings noch nicht bewilligt. „Für das Gartenhaus sollen von August bis September 2023 sechs Erdbohrungen erfolgen“, erklärt die IBS-Architektin und Projektleiterin Andrea Bühring. Für das Pfarrhaus seien in einem späteren Bauabschnitt neun Bohrungen erforderlich. Sie würden „mittels einer Duplexsonde durchgeführt, die einen Durchmesser von circa zehn Zentimetern hat“.

Pfarrer Alexander Stojanowič hält die Predigt
Pfarrer Alexander Stojanowič hält die PredigtKatharina Körting

Pläne und Erinnerungen

So entsteht „nicht nur ein Gemeindezentrum, sondern auch ein digitales Zentrum für die Temnitzregion und ein Zentrum für unsere Arbeit als Netzwerk“, wie es Julia von Grünberg ausdrückt. Sie ist Netzwerkkoordinatorin bei „Zukunft-T“. Veranstaltungen zum Thema Umwelt und erneuerbare Energien seien in Vorbereitung, darunter „eine informative Wanderung im Temnitztal“. Die Temnitz ist ein kleiner Ruppiner, auch durch Walsleben führender Fluss. Laut von Grünberg geht es um die Frage, „wie jeder von uns die Energiewende mitmachen kann“. Fotovoltaik und der Bürgersolarpark seien deshalb ein Thema, Geothermie am Beispiel der Sanierung des Gartenhauses ein anderes.

Bei einer kürzlich durchgeführten „Zukunftswerkstatt“ hätten die Temnitzer sich mehr Austausch zwischen den Generationen in den Dörfern und die Stärkung des Gemeinsinns gewünscht, sagt sie.

„als die Russen kamen“

In der Folge gab es einen ersten Erzählnachmittag in Kerzlin – der jüngste Teilnehmer war 20, die älteste Teilnehmerin Mitte 90. Da ging es allerdings mal nicht um die Zukunft, sondern um die Vergangenheit: Im Mittelpunkt stand das Gespräch über frühere Kindheiten, „als die Russen kamen“, und mit ihnen die Bodenreform, die die Bauern in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) und Volkseigene Betrieben (VEB) zwang. Damals lebten 8000 Schweine und 1700 Milchkühe im Dorf. Die Erinnerungen der Kerzliner wurden aufgezeichnet und werden zurzeit bearbeitet. Sie sollen demnächst auf der Webseite hörbar sein, ansteuerbar über QR-Codes an der Sitzbank vor dem Dorfgemeinschaftshaus Kerzlin und an der Kirche vor dem Kriegerdenkmal.

„Mögen die Kraft und der Geist dieses Ortes hinauswehen und spürbar werden“, betete Alexander Stojanowič am Ende der Andacht zur Grundsteinlegung. Das gelinge auch dann, wenn das umgebaute alte Haus mit Türen und Fenstern ausgestattet ist. „Und wenn es uns mal ereilen sollte, dass wir ins Stocken kommen und uns zu lange voreinander verschließen, möge jemand Türen und Fenster zur Welt öffnen.“

Mehr Informationen:
www.zukunft-t.de
www.amt-temnitz.de