Neues Buch über den NS-Widerständler Cäsar von Hofacker

Die Männer und Frauen des 20. Juli 1944 sind heute noch ein Vorbild – besonders in Zeiten des zunehmenden Populismus, meint Valerie Riedesel. Ihr Großvater Cäsar von Hofacker war einer von ihnen.

Valerie Riedesel Freifrau zu Eisenbach war neun Jahre alt, als sie zum ersten Mal das Gefühl hatte, ihr Großvater wäre ein Held. Die Schule hatte zur Erinnerung an das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 geflaggt. Sie meldete sich und verkündete stolz: “Da war mein Opa auch dabei!” Jetzt hat sie zum Andenken an ihren Großvater Cäsar von Hofacker (1896-1944) ein Buch veröffentlicht mit dem Titel “Der Flieger im Widerstand”.

Die Autorin ist einerseits studierte Historikerin, andererseits Enkelin und damit geprägt von den traumatischen Erfahrungen, die die Folgen des Umsturzversuchs für ihre Familie bedeuteten. Ihre Mutter Anna-Luise, genannt Annele, hatte ein sehr enges Verhältnis zum Vater. Tatsächlich gelang es ihr, den Briefwechsel mit dem Vater vor der Gestapo zu retten. Nach dem Krieg hat sie diese Briefe nicht öffentlich gemacht, aber die Autorin konnte daraus für ihr Buch schöpfen.

Im Gegensatz zu seinen Vettern Claus und Berthold Schenk Graf von Stauffenberg ist Cäsar von Hofacker sehr viel weniger bekannt. Im Ersten Weltkrieg als Flugpionier bei der Luftwaffe, arbeitete der Jurist später für die Vereinigten Stahlwerke in Berlin. Nach der Besetzung Frankreichs 1940 betätigte er sich in der deutschen Militärverwaltung in Paris.

Während er in den 1930er Jahren noch vom Nationalsozialismus überzeugt war, trat er später dem Widerstand bei und stellte die Verbindung zwischen der Opposition in Berlin und Paris her. Die “Operation Walküre” scheiterte, aber in Paris war der Umsturzversuch des 20. Juli 1944 am Tag selbst erfolgreich. Alles lief wie geplant, aber nach dem Scheitern im Deutschen Reich wurde Hofacker verhaftet und nach Berlin gebracht. Nach seiner Verurteilung wurde er am 20. Dezember 1944 hingerichtet; seine Frau und die fünf Kinder kamen in Sippenhaft. Darüber hat Valerie Riedesel bereits ein Buch veröffentlicht.

Für Ilse-Lotte von Hofacker bedeutete es einen lebenslangen Schmerz, dass sie keinen Abschiedsbrief von ihrem Mann erhalten habe, schreibt die Autorin. Ein erster Abschiedsbrief aus dem Frühjahr 1944, den Hofacker für den Fall der Fälle bei seiner Mutter deponiert hatte, wurde von der Gestapo beschlagnahmt und vernichtet. Warum es keinen letzten Brief vor der Hinrichtung am 20. Dezember 1944 gab, ist unklar. Die Autorin vermutet, ihr Großvater habe nicht schreiben dürfen.

Wann wurde aus dem überzeugten Bewunderer des “Führers” ein leidenschaftlicher Gegner? Dafür gibt es laut Riedesel nur wenige Zeugnisse. Ihre Großmutter habe direkt nach dem Attentat des 20. Juli die meisten Briefe vernichtet. Die Briefe wiederum, die ihre Mutter retten konnte, zeigen nach Überzeugung von Riedesel “deutlich eine neue Ausrichtung des inneren Kompasses”. Sie schreibt: “Seine entscheidende Prüfung war wohl nicht erst das offen widerständige Handeln, sondern schon zuvor das stille Eingestehen seines eigenen großen Irrtums.”

Hofacker fand in seiner Zeit im Widerstand seinen protestantischen Glauben wieder, den er während des Ersten Weltkriegs verloren hatte. “Gott war die höhere Macht, an die er sich fortan gebunden fühlte – und nicht das Schicksal oder irgendwelche ‘unpersönlichen, auch jenseitigen Dinge, die nicht Christentum oder Gottesglaube zu sein’ brauchten.” Während er im Gefängnis saß und gefoltert wurde, bat er verschiedentlich um eine Bibel – diese Bitte wurde abgelehnt.

Als Valerie Riedesel mit der Arbeit an dem Buch über ihren Großvater begann, empfand sie es nach eigenen Angaben als “selbstverständlich, in einem Land zu leben, das all diese politischen Versuchungen und Verfehlungen für immer hinter sich gelassen hatte”. Mittlerweile sei ihr diese unerschütterliche Gewissheit abhanden gekommen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Populismus gewinne der Lebensweg ihres Großvaters und die Botschaft der Männer und Frauen des 20. Juli an aktueller Relevanz.

“Ich empfinde es als tröstlich, dass es in diesem dunkelsten Abschnitt deutscher Geschichte Menschen gab, die persönliches und familiäres Glück hinter ihren Wertvorstellungen zurückstellten”, stellt sie für sich fest.