Artikel teilen:

Neuer Name für Berliner Mohrenstraße – Wissenschaftlerin ordnet ein

Lange gab es Gegenwehr, nun wird am Samstag die Berliner “Mohrenstraße” offiziell umbenannt. Eine Sprachwissenschaftlerin ordnet den neuen Namen ein und sagt, was es mit der “Möhrenstraße” auf sich hat.

Die “Mohrenstraße” ist Geschichte: Diesen Samstag wird die Straße im Herzen Berlins offiziell in “Anton-Wilhelm-Amo-Straße” umbenannt. Im Rahmen einer kleinen Zeremonie enthüllt die Stadt dann die Schilder mit den neuen Namen. Dem vorausgegangen war ein jahrelanger Streit um die Umbenennung, diverse Initiativen kritisierten den Begriff “Mohr” als rassistisch. “Wird der Begriff als rassistisch wahrgenommen, dann ist er es auch”, erläutert Sprachwissenschaftlerin Truus De Wilde von der Freien Universität Berlin auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Ob ein Wort grundsätzlich rassistisch sei, hänge dabei nicht von der Sprache ab, sondern von der Gesellschaft. “Eine Gesellschaft stuft Worte in bestimmten Zeiten als rassistisch oder eben auch nicht ein. Ändert sich später der gesellschaftliche Kontext, kann es sein, dass man sagt: Das ist jetzt nicht mehr passend.” Der Begriff “Mohr” sei so nicht einfach mehr ein Wort für “eine schwarze Person”, da der gesellschaftliche Kontext sich verändert habe. “Warum sollten wir heute weiter Sprache verwenden, die ausgrenzt?”

De Wilde erklärt, dass die Umbenennung nicht von “oben diktiert”, sondern durch einen langen, demokratischen Prozess von Teilen der Bevölkerung angestoßen worden sei. Im Bezug zur Mohrenstraße habe es viele “transgressive” Zeichen gegeben – bewusste Überschreibungen: “Oft wurde dem Straßennamen ein Umlaut hinzugemalt, der ihn in die ‘Möhrenstraße’ verwandelt hat”, so De Wilde. “Das waren Eingriffe von Menschen, die den Namen so nicht stehen lassen wollten.”

Der neue Name geht auf den historischen Gelehrten Anton Wilhelm Amo (1703-1759) zurück. Mit dem Namen ehre der Berliner Bezirk Mitte “den ersten bekannten Schwarzen Philosoph und Jurist an deutschen Universitäten”, wie die Stadt auf der Homepage der Verkehrsinformationszentrale schreibt. Amo wurde im heutigen Ghana geboren und lehrte unter anderem an den Universitäten in Halle an der Saale, Wittenberg und im thüringischen Jena.

De Wilde begrüßt den neuen Namen der Straße. “Durch den Namen wird ein Teil der Kolonialgeschichte Deutschlands sichtbar – ohne, dass eine Beleidigung sichtbar ist.” In Deutschland habe es im 18. Jahrhundert sehr wenige schwarze Menschen gegeben, die dort studiert und gelehrt hätten. “Der Straßenname hilft, diese Menschen sichtbar zu machen.”

Generell komme der Sprache im öffentlichen Raum eine große Bedeutung zu. Sprache beeinflusse, wie Menschen über Themen denken. “Wird ein beleidigendes Wort in einem Straßennamen verwendet, dann wird dieser Begriff verharmlost.” Durch die umbenannte Straße komme nun “Erinnerungskultur ins Straßenbild”.

Doch gegen den neuen Namen hatte es Gegenwehr gegeben. Der Bezirk Mitte und einige Initiativen wollten die Straße schon länger umbenennen, eine entsprechende Allgemeinverfügung wurde 2021 im Amtsblatt bekanntgegeben. Dagegen klagten Anwohner: Die Namensgebung vor 300 Jahren sei nicht rassistisch, sondern wertschätzend gemeint gewesen, so ihre Argumentation. Anfang Juli diesen Jahres aber gab das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg grünes Licht für die Umbenennung.

Dass es zu Protesten von Anwohnern gekommen ist, hat laut De Wilde auch mit einem gewissen Konservatismus zu tun: “Wenn man mit etwas kein Problem hat, bleibt man gerne beim Alten.” Zudem sorge das Phänomen der “Invention of Tradition” (Erfindung von Tradition) dafür, dass Leute oft das Gefühl hätten, dass alles nach drei Generationen Tradition sei. Doch das sei nur eine Fiktion. “Menschen denken sich Geschichten aus, um sich in einer komplexen Welt zu orientieren”, so De Wilde. Doch die Welt sei, wie die Sprache, stets im Wandel.

Dass Umbenennungen auch ohne größere Proteste vollzogen werden können, zeigen laut De Wilde verschiedene Beispiele: “Wer sagt heute noch Karl-Marx-Stadt?” Auch in Berlin habe es schon mehrere Umbenennungen aus anderen Gründen gegeben. Insofern speise sich der Protest im Fall der Mohrenstraße vielleicht doch daraus, dass man “die beleidigende Komponente des Wortes nicht zur Kenntnis nehmen” wolle.

Wenn die neuen Straßenschilder enthüllt werden, bleiben laut der Stadt die alten Schilder mit dem Namen Mohrenstraße für sechs Monate rot durchgestrichen sichtbar. So solle die Orientierung weiterhin gewährleistet sein. Auch die dortige U-Bahn-Station erhalte den neuen Namen. Laut den Berliner Verkehrsbetrieben sollen bis zum Fahrplanwechsel im Dezember die Schilder am U-Bahnhof auch den alten Namen im kleinen Schriftzug tragen.