ZDF-Reihe „Neuer Wind im Alten Land“ über Lokaljournalismus
Die Heldin der neuen ZDF-Reihe „Neuer Wind im Alten Land“ schrieb spektakuläre „New York Times“-Artikel und kehrt nun zur heimatlichen Tageszeitung in Deutschland zurück. Lohnt sich das anzusehen?
Eine Star-Journalistin, die nach einem unwahren Skandal-Artikel Unterschlupf beim Lokalblatt ihres Heimatortes findet – davon erzählt die neuesten Reihe der „Herzkino“-Filme, mit denen das ZDF sonntagabends seit Jahrzehnten einen Gegenakzent zu den „Tatort“-Krimis der ARD setzt. Beke Rieper (Felicitas Woll) hat bislang erfolgreich in den USA für das Weltblatt New York Times als Reporterin gearbeitet. Jetzt fängt die aus Deutschland stammende Journalistin als Reporterin bei der fiktiven „Altländer Zeitung“ an, zu sehen in „Neuer Wind im Alten Land“ ab Sonntag, 21. April, um 20.15 Uhr im ZDF.
Der Lokaljournalismus hat längst allerhand Probleme. Gehen die Genre-Fernsehfilme, deren Erzählton sich je nach Gusto als „romantisch“ oder „Schmonzette“ bezeichnen lässt, darauf ein? Im ersten Film der zweiteiligen Mini-Reihe soll Beke über einen Autounfall ohne Personenschaden, aber mit einer beschädigten Leitplanke berichten. Am Unfallort erwartet sie ein schießwütiger Schrat namens Beckmann. Keiner will mit ihm zu tun haben, doch Beke kann ihn mit selbst zubereiteten Königsberger Klopsen erweichen, seine Geschichten zu erzählen. Beckmann lüftet ein kleines, ökologisches Geheimnis, das erklärt, warum er so rabiat gegen Autobahn-Ausbau-Pläne ist.
Lokalzeitung spielt wie die Lokalpolitik eine Nebenrolle
Im zweiten Film besichtigt Beke unbegeistert die neue Funkanlage eines gerade angelandeten Frachters im Hamburger Hafen, als eine aus Norwegen eingereiste „blinde Passagierin“ zu entwischen versucht. Die junge Frau, mit der Beke sich per Smartphone-Übersetzung auf Norwegisch zu verständigen versucht, spricht erst mal gar nicht. Als sie sich dann doch als deutschsprachig erweist, hat sie ihr Gedächtnis verloren. Am Ende aber hat Beke auch über sie – wie in der ersten Folge über Beckmann – ein großes Porträt verfasst. Alle Charaktere schlagen die Lokalzeitung auf und lesen zusehends gerührt.
Ansonsten spielt die Lokalzeitung wie die Lokalpolitik eine Nebenrolle als dankbare Kulisse mit Wiedererkennungswert und Anlass für Witze a la „Wer will den umgekippten Gülleanhänger?“. Eine kleine Handvoll Charaktere verkörpert diese running gags. Der Chefredakteur muss immer, wenn Beke ihn breitgeschlagen hat, doch mehr als 25 oder höchstens 30 Zeilen schreiben zu dürfen, den Verleger anrufen und mehr Druckseiten für die nächste Ausgabe rausschlagen. Ansonsten kommen Realitäten des Zeitungsgeschäfts nicht vor.
„Neuer Wind im Alten Land“ verschenkt Potenzial
Einiges Potenzial verschenkt die Reihe, etwa wenn ausgerechnet dann, als Beke vom Laptop am mütterlichen Küchentisch aus noch rasch die in der Druckerei schon erwartete Titelstory schreiben muss, der Strom ausfällt. Worauf am nächsten Tag ein „Nachruf für den Stehsatz“ auf den Alt-Bürgermeister erscheint, der aber noch lebt. Da hätte sich allerhand böser Humor draus schlagen lassen.
Kurzum: „Neuer Wind im Alten Land“ verhebt sich an manchen Handlungssträngen und verpasst dadurch Chancen. Zu oft geht es darum, schon mal Handlungsstränge anzureißen, die in künftigen Episoden (mit denen alle Reihen-Produzenten beauftragt zu werden hoffen) weitererzählt werden können. Selbstredend gehört ein „love interest“ als netter Apfelbauer dazu. Als Obstanbaugebiet ist das Alte Land schließlich überregional bekannt.
Felicitas Woll – bekannt aus „Berlin, Berlin“
Immerhin: Felicitas Woll in ihrer Rolle als Beke zuzusehen, macht Spaß. Eigentlich ist die Schauspielerin, die in den frühen 2000ern mit der Hauptrolle der ARD-Serie „Berlin, Berlin“ tatsächlich frischen Wind ins damals darniederliegende deutschen Serienfernsehen gebracht hatte, zu gut, um derart unterfordert zu werden.
„Neuer Wind im Alten Land“ lässt sich anfangs gut ansehen, auch wenn man kein „Herzkino“-Fan ist, schon wegen der immer mal wieder eingeflochtenen, freundlichen Gags. Aber schnell stellt sich heraus, dass die Geschichten schon zum Reihen-Start eher notdürftig über die Runden kommen. Über gegenwärtige Probleme des Lokaljournalismus erfährt man sowieso nichts. Aber immerhin einiges über die Mechanismen des weiterhin wichtigen deutschen öffentlich-rechtlichen Fernseh-Genres Schmonzette.
Die Reihe Neuer „Neuer Wind im Alten Land“ läuft am Sonntag, 21. April und am Sonntag, 28. April, um 20.15 Uhr im ZDF. In der ZDF-Mediathek ist sie bereits verfügbar.