Neue Studie zum DDR-Staatsdoping vorgestellt

Die Aufarbeitung des DDR-Dopingsystems hat lange unter der systematischen Vernichtung von Akten zur Wendezeit gelitten. Eine Studie hat nun einen neuen Ansatz gewählt.

Die Forschungsarbeit über Doping im DDR-Sport  wurde 2020 durch die Landesregierung gemeinsam mit dem Landessportbund in Auftrag gegeben
Die Forschungsarbeit über Doping im DDR-Sport wurde 2020 durch die Landesregierung gemeinsam mit dem Landessportbund in Auftrag gegebenImago / Andreas Franke

Eine neue Studie rekonstruiert den Einsatz von Doping im DDR-Sport anhand von überlieferten Prozessakten aus den 1990er Jahren. Erkennbar werde, dass nahezu alle Verantwortlichen dabei gewusst haben, dass sie mit Gesundheit und Menschenleben gespielt haben, sagte die Co-Autorin der Studie, die Historikerin Jutta Braun, in Erfurt bei der Präsentation der Forschungsarbeit. Mehrere tausend Regalmeter an Akten seien überliefert und seit relativ kurzer Zeit für die Forschung einsehbar.

Gemeinsam mit ihrem Historiker-Kollegen René Wiese weist Braun nach, wie sich nach 1989 Täter und Täterinnen aus Politik, Sportverbänden und Ärzteschaft die Verantwortung gegenseitig zugeschoben haben. Die ehemaligen Systemträger im Sport haben laut Aktenlage unter anderem zu Protokoll gegeben, dass sie der Verantwortung gegenüber ihren Schützlingen aus dem Weg gingen und aus Angst vor Repression nicht den Mut zum Aussteigen aufbrachten. Auch Drohungen gegenüber Opfern sowie die bewusste Vernichtung von Beweismaterial über „unterstützende Mittel“ in den Jahren 1989/1990 wurde von den Beschuldigten eingeräumt. Insbesondere diese Materialvernichtung habe lange die Aufarbeitung in diesem Bereich erschwert, sagte Braun.

Mechanismen des Staatsdopings

Die Akten dieser Doping-Prozesse der 1990er Jahre dienten der Studie zufolge erstmals als Quellenbasis für Forschungsarbeiten, um die Mechanismen des Staatsdopings präziser zu rekonstruieren und auf breiter Grundlage zu belegen. Hintergrund sei die aktuelle Schwierigkeit für Geschädigte, die Vergabe von Dopingmitteln im Einzelfall nachzuweisen. Hier biete sich nun ein neuer, dichter Quellenfundus, sagte Braun.

Ermöglicht wurde die systematische Forschung der beiden Wissenschaftler vom Zentrum Deutsche Sportgeschichte in Berlin durch den Ablauf der Sperrfristen für Justizakten aus den 1990er Jahren. Braun bedauerte, dass die Forschung anders als beim Umgang mit Stasi-Akten aus Prozessakten keine Namen veröffentlichen dürfe. Es erschwere die Einordnung der Taten, wenn man nicht wisse, wer was zugegeben habe.

Sportler, die noch nicht zur Weltspitze gehört haben

Die Studie lenkt den Blick auch auf jene Sportler, die noch nicht zur Weltspitze in ihren Disziplinen gehört haben. An diesen sogenannten Anschlusskadern seien ab den 1980er Jahren neue Substanzen ausprobiert worden, sagte Braun. Diese Sportler seien Versuchskaninchen gewesen, um keine wertvollen Olympioniken im Rahmen von riskanten Medikamententests zu schädigen.

Die Forschungsarbeit wurde 2020 durch die Landesregierung und den Landessportbund Thüringen in Auftrag gegeben. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bezeichnete das systematische, unter staatlichem Schutz stehende Doping als Zerstörung eines jeglichen Vertrauensverhältnisses. Bitter sei, dass die betroffenen Sportler, die teils ohne ihr Wissen und minderjährig gefährliche Substanzen erhalten haben, nicht einmal über die gesundheitlichen Folgen des Dopings hätten sprechen können.

Parallel zur Vorstellung der Studie präsentiert der Thüringer Landtag die Kunstausstellung „Mein Sport. Meine Seele. Meine Kunst“. Hier zeigen Betroffene vom Doping im DDR-Leistungssport ihre Form der Aufarbeitung in Bildern.