Neue Online-Edition zum geheimnisvollen „Bibelübersetzer“

Vor rund 700 Jahren übertrug ein Unbekannter einen Großteil der Heiligen Schrift in die deutsche Sprache. Seine Person bleibt weiter im Dunkeln. Dafür wird sein Werk nun besser zugänglich.

Es gibt Neuigkeiten zum mysteriösen „Österreichischen Bibelübersetzer“: Der Editionstext zu dessen „Evangelienwerk“ ist nun online auf www.bibeluebersetzer-digital.de verfügbar. Das teilte die Universität Augsburg am Donnerstag mit, an der seit 2016 zu dem Thema geforscht wird.

Hinter dem „Österreichischen Bibelübersetzer“ steckt ein Mann, der um 1330 weite Teile der Heiligen Schrift ins Deutsche übertragen, kommentiert und ausgelegt hat – so umfänglich wie nie zuvor und 200 Jahre vor Martin Luther. Anders als dieser ist der Anonymus, der wohl im mittelalterlichen Herzogtum Österreich gelebt hat, allerdings nicht bekannt.

Unter anderem legte der Unbekannte ein „Evangelienwerk“ vor, eine harmonisierte Übersetzung der Evangelien. Darin wird das Leben Jesu gemäß den Evangelien übersetzt und kommentiert sowie um geistliche Texte und Legenden ergänzt. Kurz nach der ursprünglichen Übersetzung wurde der Text bearbeitet.

Online steht nun neu eine kritische Edition dieses „Evangelienwerks“ zur Verfügung, so die Uni Augsburg. „Aus den unterschiedlichen Lesarten aller Handschriften wurde ein kritischer Text hergestellt, der es erlaubt, den gesamten Text der Evangelienharmonie in ihrer Ausgangsfassung zu lesen, inklusive verschiedener Anmerkungen – Apparate genannt“, hieß es. „Diese dokumentieren sämtliche handschriftlichen Lesarten ebenso wie die Quellen des Verfassers. Offengelegt werden in diesen Apparaten aber auch die Beziehungen des Textes zu anderen Schriften des Verfassers.“

Zudem biete die Edition Lesehilfen, teilte die Hochschule mit. Denn der oft außergewöhnliche Wortschatz sei ansonsten teils schwer verständlich.

Das Bemerkenswerte am „Österreichischen Bibelübersetzer“ ist den Angaben zufolge nicht nur, dass er der lateinischen Sprache mächtig war, sondern auch, dass er die kanonischen Texte in ein gleichermaßen anspruchsvolles wie gut verständliches Deutsch übertragen konnte. „Dies gelang ihm, obwohl er seiner Selbstbeschreibung nach weder eine universitäre Bildung genossen hatte, noch ein Geistlicher war und somit eigentlich gar nicht berechtigt gewesen wäre, das Wort Gottes zu übersetzen oder gar auszulegen.“

Bis 2027 soll es laut Uni eine gedruckte und eine digitale Edition aller bekannten Werke des „Österreichischen Bibelübersetzers“ geben.