Die EU will die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln lockern. Wissenschaftler geben Entwarnung. Doch es gibt auch gesundheitliche Risiken.
Die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln soll gelockert werden. Verbraucherschützer schlagen Alarm. Sie warnen vor gesundheitlichen Risiken. Sind die Befürchtungen gerechtfertigt? Welche eventuellen Risiken kommen auf den Verbraucher zu?
Betroffen sind sogenannte neue genomische Techniken (NGT). Sie gelten unter Gentechnik-Forschern als Möglichkeit, schnell und präzise DNA zu verändern. Von der Kennzeichnungspflicht sollen künftig bestimmte Pflanzen und Lebensmittel ausgenommen bleiben. Die EU unterscheidet dabei zwischen zwei Kategorien: NGT 1 umfasst Pflanzen, die nur minimal gentechnisch verändert wurden, NGT 2 dagegen Pflanzen mit deutlichen Veränderungen im Vergleich zu ähnlichen Sorten. Für die Kategorie 1 kommen Verfahren wie die “Gen-Schere” CRISPR/Cas zum Einsatz: ein Werkzeug, mit dem DNA gezielt geschnitten und verändert werden kann.
Die Kategorie soll deshalb mit herkömmlichen Pflanzen gleichgestellt werden. Bisherige Regelungen wie die Kennzeichnungspflicht sollen entfallen. Eine Kennzeichnung sollte außerdem nur an Saatgut stattfinden, nicht aber bei pflanzlichen Erzeugnissen wie Lebensmitteln.
Verbraucherschützer bemängeln fehlende Transparenz: Wenn nur Saatgut gekennzeichnet werde, nicht aber Lebensmittel, wüssten Verbraucher oft nicht, ob sie Produkte aus NGT-Pflanzen kaufen. Eine bewusste Entscheidung für oder gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel, so heißt es aus der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, sei dann nicht mehr möglich.
Kritiker befürchten nicht abschätzbare gesundheitliche Folgen. Mediziner der Universität Bonn warnen vor sogenannten “off target”-Effekten: Wenn Forschende mit der Gen-Schere Erbgut verändern, kann der Schnitt auch an einer ähnlichen, aber falschen Stelle landen. Die Genschere könne damit ungewollte Mutationen und Schädigung von Genen auslösen.
Auch eine Untersuchung des Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie (Test Biotech) warnt vor Gendefekten. Die Wissenschaftler beobachteten die Entwicklung der DNA von NGT-Rindern. Dabei stellten sie vermehrt Resistenzen gegen Antibiotika fest. Über DNA und Bakterien gelangten sie unbemerkt in das Erbgut der Tiere. Mit Risiken für den Menschen: Antibiotika-Resistenzen können sich über Tierprodukte wie Fleisch oder Milch – aber auch Bodenbakterien oder Keime in Gülle – übertragen.
Allerdings ermittelten Wissenschaftler bislang kaum tatsächliche Hinweise auf gesundheitliche Beschwerden beim Verzehr von NGT-Pflanzen. “NGT-1-Pflanzen unterscheiden sich biologisch nicht von Pflanzen, die durch klassische Züchtung oder natürliche Variation entstehen können”, sagt Jürgen Kleine-Vehn, Professor für Molekulare Pflanzenphysiologie im Exzellenzcluster an der Universität Freiburg. NGT-1 sei keine neue Risikokategorie, sondern eine “präzisere Form dessen, was Pflanzenzüchtung schon lange macht.” Es sei deshalb sinnvoll, sie “gleich zu behandeln wie konventionelle Sorten”.
Pflanzen könnten durch NGT-Verfahren, so argumentieren Gentechniker, sogar gesundheitlich verbessert werden. Forschende des John Innes Centers und des Quadram Institutes etwa untersuchen, wie sich der Konsum gentechnisch veränderter Früchte mit erhöhtem Vitamin D-Gehalt auf die Gesundheit auswirkt. NGT- gilt als Verfahren, mit dem schneller und präziser Veränderungen an Genen vorgenommen werden können als bei herkömmlichen Züchtungen.
Wer trotzdem gentechnisch veränderte Produkte meiden will, findet auf einigen Produkten freiwillige Kennzeichnungen: Das Siegel “Ohne Gentechnik” etwa garantiert, dass Lebensmittel und ihre Zutaten keine gentechnische veränderten Organismen (GVO) sind und auch nicht aus GVO hergestellt wurden. Auch die EU-Ökoverordnung untersagt für Bio-Lebensmittel die Verwendung von GVO. Ein Nachweis dafür ist das EU-Biosiegel. Weiterführende Informationen und Tipps für Konsumenten gibt unter anderem die Deutsche Verbraucherzentrale.