Neue EKD-Ratsvorsitzende Fehrs will Vertrauen zurückgewinnen

Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs übernimmt den Ratsvorsitz der EKD. Zum zweiten Mal folgt sie auf eine Frau, die ihren Dienst wegen ihres Umgangs mit Missbrauchsvorwürfen quittiert.

Kirsten Fehrs (li.) und Annette Kursches bei ihren Wahlen im November 2021
Kirsten Fehrs (li.) und Annette Kursches bei ihren Wahlen im November 2021epd-bild / Jens Schulze

Die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs (62), will Missbrauchsvorwürfe in Kirche und Diakonie konsequent aufklären. „Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir uns als Kirche nicht mit uns selbst beschäftigen“, sagte die Hamburger Bischöfin dem Evangelischen Pressedienst (epd). In den kommenden Wochen sollen Gespräche mit dem Beteiligungsforum, mit der EKD-Synode und den Landeskirchen geführt werden, um die Vorkommnisse aufzuarbeiten und um Vertrauen zurückzugewinnen. (Einen Liveticker zum Kurschus-Rücktritt lesen Sie hier)

Fehrs übernimmt als bislang stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende kommissarisch auf Annette Kurschus (60), die den Ratsvorsitz nach Missbrauchsvorwürfen in ihrem früheren Arbeitsumfeld niedergelegt hat. Es ist das zweite Mal, dass Fehrs in ihrer Karriere einer Frau nachfolgt, die ihren Dienst in der Kirche aufgrund von Missbrauchsvorwürfen quittierte. Im Juni 2011 wurde sie zur Bischöfin für die Sprengel Hamburg und Lübeck gewählt, nachdem Maria Jepsen 2010 als weltweit erste Frau im evangelisch-lutherischen Bischofsamt von ihrem Amt zurückgetreten war.

Was Fehrs über Kurschus sagt

Jepsen war Untätigkeit bei Missbrauchsvorfällen in der Umlandgemeinde Ahrensburg vorgeworfen worden. Der pensionierte Pastor Dieter K. hatte eingeräumt, über Jahrzehnte hinweg Jugendliche missbraucht zu haben. Jepsen übernahm die kirchenpolitische Verantwortung, obwohl ihr kein Vergehen nachgewiesen werden konnte.

Grund für den aktuellen Rücktritt der EKD-Vorsitzenden Kurschus sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen mutmaßlichen Missbrauchs gegen einen ehemaligen Kirchenmitarbeiter, den Kurschus aus früheren Tätigkeiten kennt. Der Beschuldigte soll über Jahre hinweg junge Männer sexuell bedrängt haben. Kurschus steht wegen der Frage unter Druck, seit wann sie von den Vorwürfen gegen den Beschuldigten weiß.

Kirsten Fehrs drückte ihren Respekt vor der Entscheidung von Annette Kurschus aus: „Diese Geradlinigkeit und Konsequenz hat auch unsere Zusammenarbeit im Rat der EKD geprägt. Über acht Jahre warst Du mit Herz und klugem Wort überall da, wo Du gebraucht wurdest.“

Fehrs stammt von der Westküste

Kirsten Fehrs ist an der schleswig-holsteinischen Westküste in Wesselburen aufgewachsen. Nach ihrem Studium in Hamburg war sie Gemeindepastorin im holsteinischen Hohenwestedt, Bildungsreferentin sowie Personal- und Organisationsentwicklerin. 2006 wurde sie Pröpstin und Hauptpastorin an der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi.

Im Juni 2011 wählte die Landessynode sie zur Bischöfin. Ihr Bischofsbezirk Hamburg und Lübeck umfasst neben den beiden Hansestädten auch das Hamburger Umland und den Kreis Herzogtum Lauenburg. Anfang Juni wurde sie mit 97 Prozent der Stimmen für eine zweite Amtszeit gewählt.

Seit November 2015 im EKD-Rat

Bundesweit bekannt wurde sie für ihr Engagement gegen sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche. Sie war bis 2020 Sprecherin des Beauftragtenrates der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Seit November 2015 ist Kirsten Fehrs Mitglied im Rat der EKD.

Fehrs führt das Amt der EKD-Ratsvorsitzenden ab sofort kommissarisch, nachdem die Theologin Annette Kurschus infolge von Vorwürfen mangelnder Transparenz bei der Aufklärung eines mutmaßlichen Missbrauchsfalls am Montag von ihren Ämtern als EKD-Ratsvorsitzende und Präses der westfälischen Landeskirche zurückgetreten ist.