„Nein!“ – „Doch!“ – „Oooh!“

Mit seinen wilden Gesten begeisterte Louis de Funès Millionen. Doch zu Ruhm kam er erst spät. Vor 40 Jahren starb der Komiker – an einem Herzinfarkt, wie es sich für einen Film-Choleriker gehört.

"Louis, der Geizkragen" von 1980 zählt zu den Klassikern von Lous de Funès
"Louis, der Geizkragen" von 1980 zählt zu den Klassikern von Lous de FunèsImago / United Archives

Seine Hampeleien begeisterten Millionen. Andere waren genervt von dem kleinen Mann mit den wilden Gesten und den weit aufgerissenen Augen, der stets sein entsetztes „Neiin!!!“ schrie und mit den Armen rudernd quer durch den Raum pflügte. Seine Paraderollen waren Cruchot, der cholerische Gendarm von Saint-Tropez, buckelnd-tretende Fabrikanten – und ein antisemitischer Rabbiner wider Willen. Vor 40 Jahren, am 27. Januar 1983, starb der Komiker Louis de Funès an den Folgen eines Herzinfarkts.

Sein Genre war die leichte Unterhaltung – beste Voraussetzung, von Filmhistorikern nicht ernst genommen zu werden. De Funès selbst sagte, ihn interessierten nur Filme mit mehr als 500.000 Zuschauern. Dass dieser Satz nicht der Arroganz eines Superstars entsprang, sondern vielmehr lebenslang andauernden Verlustängsten, wird erst durch Wissen um seine Biografie deutlich.

Vom Pech verfolgt

Geboren wurde Louis Germain David de Funès de Galarza nur wenige Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs als Sohn spanisch-portugiesischer Exilanten. Der Vater, eigentlich Anwalt, brauchte in Frankreich einen neuen Beruf – doch er scheiterte als ein vom Pech verfolgter Glücksritter und Diamantenhändler.

So diszipliniert Sohn Louis später seine überfüllten Arbeitstage als erfolgloser Synchronsprecher, Film- und Theaterschauspieler durchorganisierte, so undiszipliniert war er zunächst als Schüler, Azubi und Hilfsarbeiter. Immer wieder wurde er wegen seiner unreifen Streiche gefeuert. Seine erste Frau und den gemeinsamen Sohn ließ er sitzen. Schließlich landete er während des Zweiten Weltkriegs als Jazzpianist im Pariser Rotlichtlokal Pigalle; eine geniale Begabung, mit der er immerhin das Herz seiner zweiten, lebenslangen Ehefrau Jeanne Barthelemy de Maupassant gewann, einer Großnichte des Literaten Guy de Maupassant (1850-1893).

Als die Zeiten am schwersten waren, entschied sich de Funès schließlich ausgerechnet für die Schauspielerei. Das komödiantische Talent hatte er (wie das sensible, virtuose Klavierspiel) von seiner Mutter. Doch über 20 Jahre kam er trotz großen Fleißes nicht über Kleinst-Rollen hinaus. Immerhin blieb er diesmal bei seinem Sujet und schaffte es, die wachsende Familie über Wasser zu halten.

Dann kam der Durchbruch

Bis 1964. Dann kam mit fast 50 Jahren der späte Durchbruch. Nach rund 100 Filmen als Statist oder Nebendarsteller landete er mehrere Kassenschlager in direkter Folge. Urplötzlich katapultierte ihn der Typus des grimassierenden Cholerikers zu einem der Superstars des internationalen Films. Mit seinem Klamauk als obrigkeitshöriger konservativer Knopf, der seinerseits die Untergebenen mit Vorliebe triezt und deckelt, schuf er einen prüden Gegenentwurf zu Frankreichs aufsässigem Autorenfilm der 60er Jahre.

Fantomas, Rabbi Jacob, Brust oder Keule: Die Nennung der Titel reicht meist schon, um die Bilder im Kopf abzurufen. Der Erfolg brachte ungeahnte finanzielle Mittel. Mit den Einnahmen der Weltkriegskomödie „La Grande vadrouille“ (deutsch „Die große Sause“; „Drei Bruchpiloten in Paris“) kaufte de Funès 1967 den Stammsitz der Familie de Maupassant in Le Cellier an der Loire zurück; ein 1642 erbautes Schloss im Louis-XIII-Stil.

Nein! – Doch! – Oooh!: Der legendäre Dialog stammt aus "Hasch mich, ich bin der Mörder" von 1971
Nein! – Doch! – Oooh!: Der legendäre Dialog stammt aus "Hasch mich, ich bin der Mörder" von 1971Imago

Abseits des Filmsets mied er die Öffentlichkeit – denn er hatte fast panische Angst vor Neidern, Entführung oder Einbruch. Als Schlossbesitzer engagierte er sich für den Naturschutz und züchtete Rosen, integrierte sich voll in die kleine Dorfgemeinschaft. Er ging sonntags zur Messe und hatte in dem Barockschloss sogar eine Privatkapelle. Auf dem Friedhof von Le Cellier nahe Schloss Clermont, 22 Kilometer von Nantes, ist er auch begraben.

Denn seine Jahre als Kettenraucher mit drei schlecht laufenden Jobs, die zugleich und mit dem Familienleben koordiniert werden mussten, forderten Tribut. 1974 erlitt de Funès kurz nacheinander seine beiden ersten Herzinfarkte, die ihm einen ungeliebten Lebensstil aufnötigten: keine Drehs, keinen Wein, kein gutes Essen mehr. Die Versicherungen wollten kein Risiko für Filmarbeiten mit dem überdrehten Perfektionisten auf sich nehmen. Nur langsam erkämpfte sich de Funès den Weg zurück vor die Kamera.

Melancholisches Spätwerk

Solcherlei Verzichtserfahrungen reflektiert de Funès‘ vorletzter, melancholisch-alberner Film „Kohlsuppe“ (dt.: Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe, 1981). Er handelt von Altersarmut und unverhofftem Reichtum, von unverbrüchlicher Freundschaft und letzten Chancen. Der Film sieht einen Louis de Funès als alten Bauern, der seine Ödnis erkennt und noch mal richtig in die Vollen geht. Am 27. Januar 1983 stirbt Louis de Funès mit nur 68 Jahren an den Folgen eines erneuten Herzinfarkts, in seinem geliebten Schlossgarten. „Neiin!“ – „Doch!“ – „Oooh!“