Nashörner im Visier: Wilderei setzt Tierschützer unter Druck

Tierschützer im südlichen Afrika schlagen Alarm: Wilderei von Elefanten und Nashörnern nimmt drastisch zu. Deren Horn steht in Asien hoch im Kurs. Betroffen sind vor allem Südafrika und das Nachbarland Namibia.

„Arthur“ steht auf einer Anhöhe in der kargen Basaltlandschaft der Namib-Wüste. „Es handelt sich um einen zwölfjährigen Nashorn-Bullen“, flüstert Stefanus Gamuseb. „Vor zwei Jahren haben wir ihm das Horn gestutzt.“ Der 45-Jährige ist Mitarbeiter der Tierschutzorganisation Save the Rhino Trust (SRT), die sich den Erhalt der Nashörner auf die Fahnen geschrieben hat. Denn deren Horn ist auf dem Schwarzmarkt teurer als Gold oder Heroin, wiegt gerade mal ein paar Kilo und besteht – wie menschliche Fingernägel – aus Keratin. Für viele Rhinozerosse im südlichen Afrika bedeutete ihr Körperteil 2023 das Todesurteil. Denn die Wilderei auf die prähistorischen Savannenbewohner nimmt wieder dramatisch zu.

Arthurs Horn ist deutlich sichtbar gestutzt – aus dem Visier der Wilderer ist er damit noch immer nicht. „Das Horn wächst in etwa drei Jahren nach. Aber die Wilderer schrecken vor nichts zurück – und jagen die Tiere selbst für die kleinsten Stumpen“, sagt Lesley Karutjaiva, der technische Leiter des Trusts. Die gut 100 Tracker seiner Organisation patrouillieren daher regelmäßig in der Palmwag-Konzession, die in der ältesten Wüste der Welt liegt.

Ihre Aufgabe: Arthur und seine rund 200 Artgenossen zu schützen. Sie tun das weitgehend mit Erfolg, auch wenn Karutjaiva zugeben muss: „Wir haben erst kürzlich ein gewildertes Tier entdeckt – sein Horn war weg.“ Bei ihren Patrouillen werden die Zweier-Teams zu ihrem eigenen Schutz jeweils von einem bewaffneten Polizisten begleitet. „Wilderer sind todesmutig und hochgradig organisiert“, sagt der SRT-Manager. Er spricht sich offen für eine Versteigerung des von der Regierung gehorteten abgesägten Horns aus: „Wir haben finanzielle Probleme, und die Erlöse könnten dem Tierschutz zugute kommen“, meint er – allerdings sei ein Verkauf bislang illegal.

Seit Jahrzehnten widmet sich SRT in dem südwestafrikanischen Land dem Schutz und der Erforschung dieser Tiere. Namibia repräsentiert nach deren Schätzungen mehr als ein Drittel des weltweiten Bestands an seltenen Spitzmaul-Nashörnern („Black Rhino“), vor allem im Etoscha-Nationalpark. Auf rund 5.000 Tiere werden sie in ganz Afrika geschätzt; hinzu kommen rund 16.000 Breitmaul-Nashörner.

„Die aktuellen Wilderei-Statistiken sind besorgniserregend. Das Land hat in den vergangenen zehn Jahren 631 Nashörner verloren“, hieß es in einer Erklärung des namibischen Umweltministeriums von Anfang März. Und der Trend scheint anzuhalten: Allein in den ersten beiden Monaten 2024 habe man schon acht gewilderte Tiere entdeckt.

Auch im knapp 22.300 Quadratkilometer großen Etoscha-Nationalpark ist die Wildtierkriminalität ein großes Thema. Da die Elefanten in dem landschaftlich einmaligen Schutzgebiet durch den Mangel an bestimmten Mineralien nur relativ kleine und auch brüchigere Stoßzähne haben, steht hier vor allem die Nashorn-Wilderei im Fokus.

„Die Wilderei bremst durch die Restriktionen im Kampf gegen diese Aktivitäten auch die wissenschaftlichen Forschungen hier aus“, sagt die französische Verhaltensforscherin Stephanie Periquet. Die aus Grenoble stammende Wissenschaftlerin arbeitet im 2021 gegründeten „Greater Etosha Carnivore Programme“, an dem auch deutsche Forscher beteiligt sind. Sie versuchen, das Verhalten und auch die Migration von Raubtieren im Nationalpark zu ergründen und setzen dabei auch auf Künstliche Intelligenz. Die wissenschaftlichen Forschungen sollen auch bei der Erhaltung anderer gefährdeter Arten helfen.

Unterstützt wird ihre Arbeit unter anderem von den Betreibern der Ongava-Lodge, auf deren Gelände auch das Forschungszentrum steht. Jeder Besucher der Lodge unterstützt mit einer Abgabe auf den Übernachtungspreis die Arbeit der Forscher. „Es ist ein gutes Beispiel für die positive Wirkung, die der Tourismus auf den Artenschutz haben kann“, sagt die Schweizerin Nicole di Venere von dem auf Afrika spezialisierten Reiseunternehmen „Abendsonne“.

Der Tierschutz ist im Kampf gegen Wilderei auf jede finanzielle Unterstützung angewiesen – auch in Namibia. Das zeigte sich etwa zu Corona-Zeiten, als ausbleibende Tourismus-Einnahmen die Arbeit der Nashorn-Schützer stark beeinträchtigten.

Das gilt ebenfalls im Nachbarland Südafrika, das mit rund 2.000 Exemplaren von Spitzmaul- und knapp 13.000 Breitmaul-Nashörnern weltweit die größten Bestände überhaupt hat. Dort galoppieren die Zahlen noch schlimmer: 2023 gab es mit 499 gewilderten Nashörnern 51 Fälle mehr als noch im Vorjahr. Der Schwerpunkt der Nashorn-Wilderei hat sich dort aus dem Krüger-Nationalpark in die Schutzgebiete der Provinz KwaZulu-Natal verlagert, wo vor allem der Nationalpark Hluhluwe-iMfolozi deutlich herausragt.

Das Horn der tonnenschweren Tiere steht vor allem in ostasiatischen Ländern hoch im Kurs, wo es für traditionelle Medizin oder auch Schmuck verwendet wird – auch wenn der Handel damit illegal ist und ein wissenschaftlicher Nutzen nie belegt wurde. Internationale Schmugglerringe greifen in den Parkgebieten verstärkt auf die Hilfe von Helfershelfern aus einer oft verarmten Bevölkerung zurück.

Versuche, das brutale Abschlachten der Savannen-Bewohner einzudämmen, haben zwar insgesamt die Zahlen von ihrem Rekordstand 2014 (1.215 gewilderte Dickhäuter) reduzieren, aber nicht stoppen können. Die Bemühungen zur Eindämmung von Wilderei – von Mikrochips und Satellitenüberwachung über den Einsatz von Überwachungsdrohnen bis hin zur Vergiftung des Horns mit radioaktiven Substanzen – hat nur wenig geholfen, um den Wildtierbestand zu halten. „Es gibt keine Patentlösung, aber wir haben mit einem gewilderten Nashorn alle 17 Stunden keine Zeit mehr zu verlieren“, mahnt Jo Shaw, die Vorsitzende des Save the Rhino Trust.