Namibias Präsident ist tot – wichtiger Akteur im Kolonialdialog

Der namibische Präsident Hage Geingob ist tot. Wie Regierungsstellen auf X mitteilten, starb der Politiker am Sonntag im Kreis seiner Familie in einem Krankenhaus der Hauptstadt Windhoek. Geingob wurde 82 Jahre alt. Die Nation verliere „einen angesehenen Diener des Volkes, eine Ikone des Befreiungskampfes, den Hauptarchitekten unserer Verfassung und die Säule des namibischen Hauses“, so Interimspräsident Nangolo Mbumba.

Geingob galt auch als wichtiger Befürworter eines Dialogs auf Regierungsebene zwischen Deutschland und Namibia zur Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit. Zwischen 1884 und 1915 war Namibia unter dem Namen Deutsch-Südwestafrika eine deutsche Kolonie. Die dort von den Deutschen begangenen Verbrechen gipfelten zwischen 1904 und 1908 in einem blutigen Kampf gegen die einheimischen Herero und Nama.

In einer 2021 paraphierten „Gemeinsamen Erklärung“ verständigten sich Deutschland und Namibia darauf, die Ereignisse „aus heutiger Perspektive“ als Völkermord zu bezeichnen. In den nächsten 30 Jahren sollen rund 1,1 Milliarden Euro in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte in Namibia fließen. Bislang allerdings fehlt die Zustimmung des namibischen Parlaments. Das Papier ist in der namibischen Öffentlichkeit weiter heftig umstritten.

Seit einiger Zeit laufen laut Bundesregierung Verhandlungen über „die offen gebliebenen Auslegungsfragen“ der Erklärung. Beobachter wie der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer vermuteten, dass die Ergebnisse im Januar präsentiert werden sollten. Dazu sei es allerdings nicht gekommen, weil Geingob sich persönlich in den Streit um die südafrikanische Genozid-Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingemischt habe, teilte Zimmerer am Sonntag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit.

Die Bundesregierung hatte sich in diesem Streit auf die Seite Israels gestellt. Geingob unterstellte Deutschland daraufhin, „Unfähigkeit, aus seiner schrecklichen Geschichte zu lernen“. Berlins Unterstützung für den „Völkermord-Versuch des rassistischen israelischen Staates gegen unschuldige Zivilisten in Gaza“ sei schockierend.

Das habe einen möglichen Abschluss der Verhandlungen zur „Gemeinsamen Erklärung“ zwischen Deutschland und Namibia verhindert, so Historiker Zimmerer. „Es war unter diesen Vorzeichen nicht vorstellbar, dass ein deutscher Bundespräsident, -kanzler oder Außenminister einen gemeinsamen Termin mit Geingob absolvieren könnte.“

Der Tod des Präsidenten böte nun die Möglichkeit eines Neustarts, meinte Zimmerer. „Abschluss der Regierungsverhandlungen und gleichzeitig die Einleitung direkter Verhandlungen mit nichtstaatlichen Akteuren etwa nach dem Vorbild der Jewish Claims Conference.“ Dazu solle Deutschland den gleichen Betrag, der im Rahmen der Gemeinsamen Erklärung für die „de facto-Wiedergutmachung“ zur Verfügung gestellt worden sei, nun auch in diesen Prozess einbringen. „Genau 120 Jahre nach dem Genozid wäre das längst überfällig.“