Süßer Genuss zu Ostern: Nachhaltigkeit bei Schokolade gefragt

Osternester mit Süßigkeiten zu verstecken, gehört für viele zu Ostern dazu. Aber die Preise für Schoko-Hasen und Schoko-Eier steigen. Und überhaupt: Wie nachhaltig ist Ostern eigentlich?

Osternester mit Süßigkeiten zu verstecken, gehört für viele zum höchsten christlichen Fest dazu
Osternester mit Süßigkeiten zu verstecken, gehört für viele zum höchsten christlichen Fest dazuImago / Westend61

Kurz vor Ostern stehen die Schokoladenhasen in den Regalen der Supermärkte: wohlgeformt, nett verpackt, bereit zum Reinbeißen. „Ein Schokoladenhase muss hübsch aussehen, ist meist geschminkt“, sagt Andrea Hüsser, „denn er soll Kinder, aber auch Erwachsene ansprechen.“ Was die Schweizer Schokoladenexpertin daran stört, ist nicht die Ästhetik. Sondern, dass der Fokus nicht auf qualitativ guter Schokolade liegt.

Mit „qualitativ gut“ meint Hüsser nicht nur die Zutaten und die Produktion der Schokomasse. Seit 16 Jahren setzt sich die 46-Jährige für bessere Arbeitsbedingungen, eine faire Bezahlung von Kakaobäuerinnen und -bauern sowie für Nachhaltigkeit ein, auch über die Nichtregierungsorganisation Good Chocolate Hub. Im Verzehr von „Schoggi“, wie die Schweizer die süße Versuchung nennen, sei das Land sogar Weltmeister. „Die wichtigste Zutat aber, der Kakao, kommt von weit her.“

Missstände und Ausbeutung der Kakaoanbauer

Mit gutem Gewissen genießen dürfe man „auf jeden Fall“, sagt Hüsser, die studierte Ethnologin und zertifizierte „Chocolate-Tasterin“ ist. „Die Frage ist nur, welche Schokolade man isst – und woher der Kakao in der Schokolade kommt.“ In vielen Herkunftsländern von Kakao herrschten große soziale und ökologische Missstände. Und: Bei Osterhasen stehe kaum jemals auf der Verpackung, woher die Kakaobohne stamme.

 

Kakao-Ernte Ghana: Die Bohnen trocknen nach Fermentierung in der Sonne
Kakao-Ernte Ghana: Die Bohnen trocknen nach Fermentierung in der SonneImago / Joerg Boethling

Wenn Hüsser darüber spricht, schwingt Empörung mit. Während Verbraucherschützer monieren, dass die aktuellen Schoko-Preise zu hoch seien, betont sie einen anderen Aspekt: Über Jahrzehnte seien geschätzte fünf Millionen Kakao-Familien weltweit miserabel bezahlt, Menschenrechte in der Produktionskette verletzt worden. „Ein Beispiel wäre die ausbeuterische Kinderarbeit. Statt dass die Kinder in die Schule gehen, arbeiten sie auf den Plantagen“, sagt die Expertin. Beim Mitanpacken trügen sie körperliche oder psychische Schäden davon, „weil sie mit Macheten arbeiten oder schwere Lasten herumschleppen“.

Elfenbeinküste und in Ghana sind die größten Kakaoanbauer

Alleine in der Elfenbeinküste und in Ghana betrifft dies 1,5 Millionen Kinder. Diese beiden Länder sind die größten Kakaoanbauer: In der Elfenbeinküste werden rund 40 Prozent des weltweiten Kakaos produziert, in Ghana rund 20 Prozent. Insgesamt stammen mehr als 70 Prozent aus Westafrika; darauf folgen die lateinamerikanischen Länder wie Ecuador, Brasilien oder Bolivien, dann die asiatischen wie Vietnam, Indonesien oder Malaysia.

Der Kakaoabsatz aus fairem Handel ist gestiegen
Der Kakaoabsatz aus fairem Handel ist gestiegenImago / Joerg Boethling

Hinzu kommen ökologische Missstände: In der Elfenbeinküste und in Ghana wurden in den vergangenen 40 Jahren für die Kakaopflanzung riesige Bestände des Urwalds abgeholzt. Zwischen 40 und 60 Prozent Dschungel sollen mittlerweile verschwunden sein – und mit ihm die Biodiversität. In den Kakaoplantagen, die stattdessen entstanden, sieht Hüsser „Monokulturen, die den Klimawandel anheizen“. Historisch gesehen seien Kakaobohnen einst „ein typisches Produkt aus den Kolonien“ gewesen, „das mit Hilfe von Sklaven und Sklavinnen angebaut, geerntet und danach in der Welt vertrieben wurde“.

Heute sei Schokolade zu günstig, „wenn man alle Kosten einer Tafel oder eines Schokohasen decken möchte. Lediglich die Industrie und der Handel verdienen damit viel Geld, die Kakaobauern leben in Armut.“ Seit drei Jahren organisiert Hüsser das „Schoggifestival ehrundredlich“ in Zürich. „Die Schokolade, die wir dort vorstellen, kostet einiges mehr. Weil wir zeigen wollen, welche Arbeit drinsteckt, und sie damit anerkennen.“

„Schokolade ist auch ein wunderbares Produkt“

Denn Hüsser ist es wichtig, auch die schöne Seite der süßen Ware zu zeigen. Sie bricht ein Stück Schokolade von einer Tafel ab und riecht daran: „Schokolade ist auch ein wunderbares Produkt, das die größte Aromavielfalt hat, die man sich überhaupt vorstellen kann. Die meisten wissen das gar nicht.“

Die Expertin beißt nicht in irgendeine Schokolade hinein, sondern in eine sogenannte „Bean to Bar“-Produktion – von der Bohne bis zur Tafel. Das bedeutet: Nach dem Ernten, Fermentieren und Trocknen der Bohne im Anbauland findet die gesamte Schokoladenproduktion in einer kleinen Manufaktur statt. Das kann auch in der Schweiz, in Österreich oder Deutschland sein. Hauptsache: Jeder Schritt wird kontrolliert und ist nachhaltig. „Eine solche Schokolade ist wie eine Flasche Wein“, erklärt Hüsser. „Sie hat ihren Preis, das Degustieren ist ein Genuss und auf der Verpackung sind alle nötigen Angaben, unter anderem in welchem Jahr die Ernte war oder was für eine Geschmacksnote die Schokolade hat.“

Dieses Jahr finden sich beim „Schoggifestival“ am kommenden Sonntag erstmals zwei „Bean to Bunny“-Osterhasen und „Bean to Egg“-Schokoeier. Der süßen Versuchung zu Ostern steht also nichts im Weg. Hüsser hofft jedoch, dass auch „Big Chocolate“, also die Großindustrie der Schokolade „irgendwann mal den Turn Around schafft und ebenfalls komplett nachhaltig produziert“.