Nach Niederschlagung von Protesten in Chile: Prozess gegen Polizei
Wegen der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten steht die ehemalige Führungsriege der chilenischen Polizei vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem damaligen Direktor Mario Rozas und zwei weiteren Befehlshabern vor, zwischen Oktober 2019 und März 2020 nicht gegen die ausufernde Gewalt ihrer Untergebenen vorgegangen zu sein und in der Folge unter anderem Misshandlungen und Mord toleriert zu haben. Die Gerichtsverhandlung gegen die Carabineros begann am Dienstagnachmittag (Ortszeit) in Santiago.
Dies sei ein wichtiger Tag, da die Verantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen endlich vor Gericht stünden, betonte die Senatorin Fabiola Campilla bei einer Pressekonferenz vor dem Gericht. Campillai erblindete im November 2019, nachdem ein Polizist ihr eine Gasgranate direkt ins Gesicht geschossen hatte. Sie wartete damals an einer Bushaltestelle und war auf dem Weg zur Arbeit.
Der ebenfalls angeklagte und noch bis Freitag vergangener Woche amtierende Polizeidirektor Ricardo Yañez bezeichnete die Gerichtsverhandlungen hingegen als „absurd“. Man habe lediglich im Rahmen der gesetzlichen Normen versucht, der Gewalt von Demonstrierenden Einhalt zu bieten und dadurch die Demokratie des Landes geschützt, sagte Yañez im Radiosender Bio-Bio.
Vom Herbst 2019 bis März 2020 protestierten in Chile über eine Million Menschen gegen die damalige rechte Regierung unter Sebastián Piñera und für mehr soziale Gerechtigkeit. Am Rand der Proteste kam es auch zu Plünderungen und Angriffen auf öffentliche Einrichtungen wie die U-Bahn von Santiago. Die Polizei und das Militär gingen mit teils massiver Gewalt gegen Demonstrierende und Plündernde vor.
Bereits im Dezember 2019 kritisierten die UN das Vorgehen der Sicherheitskräfte als „Verstoß gegen internationale Normen“ und sprachen von einer hohen Zahl an Menschenrechtsverletzungen. Amnesty International zählte mehr als 400 Personen, die aufgrund des Einsatzes von Schrot und Gasgranaten mindestens ein Auge verloren. Es kam zudem zu 36 Todesfällen, die bislang größtenteils unaufgeklärt sind.