Neue EKD-Ratsvorsitzende: Das ist Bischöfin Kirsten Fehrs

Nach dem Rücktritt von Annette Kurschus steht Kirsten Fehrs kommissarisch an der Spitze der EKD. Mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt hat die Hamburgerin bereits Erfahrung.

Kirsten Fehrs bei ihrer Wiederwahl im Hamburger Michel
Kirsten Fehrs bei ihrer Wiederwahl im Hamburger MichelMarcelo Hernandez / Nordkirche

Als Kirsten Fehrs 2011 Bischöfin in Hamburg wurde, war ihre Vorgängerin Maria Jepsen wegen eines Missbrauchsfalls zurückgetreten. Ihr wurde vorgeworfen, über Fälle sexualisierter Gewalt in einer Kirchengemeinde informiert worden zu sein, ohne ausreichende Konsequenzen gezogen zu haben. Nun übernimmt Fehrs kommissarisch auch den Vorsitz des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und beerbt eine Frau, der es ähnlich wie Jepsen ging: Annette Kurschus geriet wegen möglicher Vertuschung eines Falls sexuell übergriffigen Fehlverhaltens massiv unter Druck und legte am Montag ihre Kirchenämter nieder.

Die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt dürfte Fehrs, die bisher stellvertretende Ratsvorsitzende war, in ihrem neuen Amt weiter beschäftigen. „Für den Rat der EKD verbindet sich mit dem Rücktritt von Annette Kurschus die Verpflichtung, den eingeschlagenen Weg bei Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt konsequent weiter voranzugehen“, erklärte die 62-Jährige am Montag.

Studie zu sexuellem Missbrauch im Januar

Nachdem sich die EKD mit der Aufarbeitung viele Jahre schwergetan hatte, soll am 25. Januar ein unabhängiges Forscherteam erstmals eine bundesweite Studie zu sexuellem Missbrauch im Bereich der evangelischen Kirche veröffentlichen. Fehrs selbst war maßgeblich daran beteiligt, diese Untersuchung auf den Weg zu bringen – als Mitglied und zeitweise auch Sprecherin eines 2018 gegründeten Beauftragtenrats der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Weil Betroffene sich zu wenig beteiligt fühlten, scheiterte das Gremium 2021. Es ging in einem sogenannten Beteiligungsforum auf, in dem Kirchenvertreter und Betroffene gemeinsam entscheiden und dem die Hamburgerin weiterhin angehört.

Trotz Kritik auch an ihrer Person hat Fehrs ihren Willen zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in ihrer Kirche immer wieder bekräftigt. „Der Vorwurf, ich hätte Betroffene nicht ernst genommen, geht mir schon nahe. Das ist einfach nicht wahr“, sagte sie vor zwei Jahren. Inzwischen sprechen Betroffene von einer guten Zusammenarbeit mit Fehrs. „Ich nehme ihr ab, dass sie es ernst meint mit der Aufklärung“, sagte der Betroffenenvertreter Detlev Zander am Montag dem Spiegel.

„Ihre Stimme wird gehört und hat in unserer Heimatstadt großes Gewicht“

Fehrs, die seit über 30 Jahren mit einem Pastor verheiratet ist, stammt aus dem Westen Schleswig-Holsteins und wurde 1990 zur Pastorin ordiniert. Ab 2006 war sie Pröpstin im Kirchenkreis Hamburg-Ost und Hauptpastorin an der Hauptkirche Sankt Jacobi. Seit zwölf Jahren ist sie Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck in der aktuell von Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt geleiteten Nordkirche.

Im Norden ist Fehrs beliebt und bekannt dafür, auch in schwierigen Situationen die richtigen Worte zu finden. „Ihre Stimme wird gehört und hat in unserer Heimatstadt großes Gewicht“, sagte die Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Carola Veit, bei Fehrs‘ 60. Geburtstag.

Fehrs mischt sich in gesellschaftspolitische Debatten ein

Immer wieder mischte sich die Geistliche, die dem Rat der EKD bereits seit 2015 angehört, kräftig in gesellschaftspolitische Debatten ein. Für sie sei nicht verhandelbar, dass Geflüchteten Schutz und Asyl geboten werden müsse, betonte sie etwa. „Wir brauchen einen menschenrechtsorientierten und pragmatischen Umgang mit Geflüchteten statt ideologisch aufgeladener Diskurse.“

Mehrfach verurteilte sie den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und mahnte zum Frieden. Sie betonte das Recht auf militärische Selbstverteidigung. Aber es müsse jeden Tag wieder nach einer Lösung gesucht werden, die besser sei als die Fortsetzung des Tötens. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel bekundete Fehrs Solidarität mit Israel und wandte sich gegen Antisemitismus.

Dauerhafte Nachfolge von Kurschus?

Angesichts des Mitgliederverlusts der Kirche plädierte Fehrs für eine engere Zusammenarbeit von Kirche und Diakonie. „Wenn es in Zukunft noch um eine flächendeckende Präsenz von evangelischer Kirche gehen soll, dann ist das nicht allein die Kirche im Dorf, sondern auch die Pflegeeinrichtung der Diakonie nebenan.“ Jüngst verglich sie die Kirche mit einem großen Tanker, der zu modernisieren sei, „damit er ökologisch, personell und finanziell besser wird“.

Als kommissarische EKD-Ratsvorsitzende hat Fehrs nun die Chance, sich federführend um solche Modernisierungen zu kümmern. Beobachter sehen in ihr auch eine aussichtsreiche Kandidatin für die dauerhafte Nachfolge von Kurschus. Darüber entscheiden Synode und Kirchenkonferenz der EKD allerdings wahrscheinlich erst nächsten Herbst.