Nach Brandenburg-Wahl – Zwischen Sorge, Bitterkeit und neuem Mut
Für die SPD zeichnet sich bei der Landtagswahl in Brandenburg ein Wahlsieg ab, zweitstärkste Kraft wird wohl die AfD. Beobachter warnen vor Spaltung – und nehmen die demokratischen Parteien in die Pflicht.
Eine polarisierte Gesellschaft sieht der Zentralrat der Juden angesichts der voraussichtlichen Ergebnisse der Landtagswahl in Brandenburg. “Wenn erneut fast ein Drittel der Wähler eine zerstörerische politische Partei wie die AfD an der Macht sehen will und eine populistische Kraft wie das BSW wieder zweistellig wird, dann darf uns das nicht unberührt lassen”, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster am Sonntagabend. “Die Stärke der politischen Ränder ist nicht gut für Deutschland.”
Nach den Hochrechnungen des Abends ist die SPD stärkste Kraft mit 31,3 Prozent. Die AfD (29,5 Prozent) verzeichnet ebenfalls einen deutlichen Zuwachs. Das BSW, das erstmals angetreten war, kommt auf 12,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit 73 Prozent demnach ungewöhnlich hoch.
Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, appellierte an die demokratischen Parteien, “die Hetze der AfD zu entlarven und Bürgerinnen und Bürger für die Demokratie zurückzugewinnen”. Die Partei habe sich im Wahlkampf “unverhohlen nazistischer Propagandaklischees bedient und andere Menschen immer wieder durch Hetze und Drohungen dämonisiert”. Für Holocaust-Überlebende sei der Zuspruch zur AfD “eine bittere Tatsache, die ihren Blick auf Deutschland verschattet”.
Der amtierende Ministerpräsident und voraussichtliche Wahlsieger Dietmar Woidke (SPD) unterstrich, das Ziel sei gewesen, “zu verhindern, dass unser Land einen großen braunen Stempel kriegt”. In der Geschichte hätten Sozialdemokraten schon desöfteren Extremisten auf deren Weg zur Macht gestoppt.
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch erteilte Hass und Ausgrenzung eine klare Absage. “Einige Parteien” begegneten Veränderungen “mit einfachen oder gar menschenfeindlichen Antworten, sie schüren Ängste”, kritisierte er. Dabei ließen sich Herausforderungen nur im Dialog und miteinander meistern. Koch nannte beispielhaft Dürre und Hochwasser, Fachkräftemangel, Abwanderung und Integration.
Der Erzbischof warb für offene Augen und mutige Herzen: “Heute hatten Sie die Wahl zwischen verschiedenen Parteien, doch jeden Tag haben wir durch unsere Worte und Taten die Wahl: Unser Umgang miteinander bestimmt die Welt, in der wir in Zukunft leben.” Er wünschte “den Beteiligten der demokratischen Parteien viel Kraft, Mut und Geduld, gemeinsam einen guten Weg für Brandenburg auszuhandeln”.
Der Sozialverband VdK forderte mehr Möglichkeiten zur Beteiligung für Menschen mit Behinderung, die Förderung von Nachbarschaftshilfe sowie eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung. “Menschen aufgrund ihrer sozialen Situation, einer Behinderung oder ihrer Herkunft zu verunglimpfen, spaltet unsere Gesellschaft”, betonte Präsidentin Verena Bentele.
Die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Julia Duchrow, zeigte sich erleichtert, dass Brandenburg nicht für “menschenverachtende Fantasien” stehe, sondern für eine vielfältige Gesellschaft. Sie mahnte zugleich: “Landes- und Bundesregierung dürfen sich nicht von menschenfeindlichen Narrativen treiben lassen.”