Moderator Mirko Drotschmann über „Fake News“ und Medienkompetenz

Mirko „MrWissen2go“ Drotschmann erreicht mit Erklärvideos ein Millionenpublikum. Im Interview über „Fake News“ verrät er, warum er sich mit dem Begriff schwertut und sich in deutschen Schulen Medienunterricht wünscht.

Spätestens im Geschichtsabitur kommen junge Menschen um Mirko Drotschmann, alias „MrWissen2go“, kaum herum. Über YouTube und als ZDF-Moderator erreicht der 37-Jährige mit Erklärvideos zu Geschichte, Politik und Gesellschaft Millionen von Zuschauern. Gerade im Internet bekommt er Konkurrenz von Menschen, die „Fake News“ verbreiten. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt er, warum es im Kampf gegen solche Falschmeldungen Bildung und vielseitige Medien braucht.

KNA: Herr Drotschmann, was sind eigentlich „Fake News“?

Mirko Drotschmann: Mit dem Begriff „Fake News“ tue ich mich schwer. Er ist zwar sehr gebräuchlich, aber er ist mittlerweile zu einer Art Kampfbegriff verkommen. Spätestens seit Donald Trump in den USA die etablierten Medien als „Fake News Media“ bezeichnen hat, ist der Begriff ad absurdum geführt worden. Ich benutze lieber das deutsche Äquivalent „Falschmeldungen“. Tatsächlich ist es genau das: falsche Informationen, die bewusst verbreitet werden, um damit Menschen zu beeinflussen.

KNA: Sie haben zuletzt im Aachener Dom einen Vortrag vor Schülern zu „Fake News“ gehalten. Sind junge Leute besonders gefährdet, Opfer solcher Nachrichten zu werden?

Drotschmann: Einerseits ja, weil sie noch nicht die Erfahrung mit Medien haben wie Erwachsene, Dinge noch nicht einschätzen können oder gutgläubiger sind. Andererseits sind Kinder und Jugendliche mit dem Internet aufgewachsen, und das Internet ist der Ort, an dem man besonders mit Falschmeldungen konfrontiert wird. Sie bewegen sich darin sehr sicher. Manche 60-Jährige hingegen denken, auch aus der entsprechenden Sozialisierung heraus, alles was offiziell aussieht, sei auch glaubhaft. Aber natürlich ist es schwierig, das pauschal zu beurteilen. Auf Falschmeldungen kann jede und jeder reinfallen, ganz unabhängig vom Alter.

KNA: Wie kann man die Menschen für „Fake News“ sensibilisieren?

Drotschmann: Mein Wunsch ist, dass wir in Deutschland Medien oder Medienpädagogik als Schulfach einführen. Wir müssen Medienkompetenz vermitteln. Denn mit nichts beschäftigen sich junge Menschen in ihrer Freizeit so viel wie mit dem Internet. In so einem Fach könnte man viel zusammenfassen. Zum Beispiel: Wie kann man eine falsche von einer seriösen Meldung unterscheiden? Wie gehe ich mit meinen persönlichen Daten um? Oder was hat es mit Künstlicher Intelligenz auf sich?

KNA: Haben Sie als Medienfachmann Tipps, wie man sich selbst vor „Fake News“ schützen kann?

Drotschmann: Man sollte misstrauisch und kritisch sein. Man sollte Dinge hinterfragen – insbesondere dann, wenn etwas zu schön oder zu grausam klingt, um wahr zu sein. Wenn mit besonders viel Emotion gearbeitet wird. Wenn offensichtlich Meinung und objektive Darstellung vermischt werden. Wenn die Sprache effekthascherisch ist. Oder wenn keine oder nur eine Quelle angegeben wird. Man sollte schauen, ob man den Absender der Information kennt und ob er seriös ist. Wichtig ist auch, Inhalte nicht einfach zu teilen, bevor man sie nicht geprüft hat.

KNA: Auf Instagram und TikTok tauchen immer wieder Falschinformationen in Kurzvideos auf. Wie können etablierte Medien dem entgegenwirken?

Drotschmann: Die Lösung ist, diese Plattformen mit eigenen Inhalten zu bedienen. Gerade bei jungen Leuten ist es sinnvoll, auf TikTok und Instagram Angebote zu machen, die sich von dem abheben, was man sonst auf den Plattformen findet. Zum Beispiel Factchecking-Formate auf TikTok, in denen fragwürdige Videos geprüft werden, die auf der Plattform kursieren.

KNA: Sind schnelle Nachrichten in Kurzvideos leichter zu manipulieren als lange Texte und Dokumentationen?

Drotschmann: Nein. Der Unterschied liegt höchstens darin, dass sich Menschen nicht immer die Mühe machen, sich mit langen Stücken zu beschäftigen. Statistiken belegen, dass viele Menschen in den Sozialen Medien nur Überschrift und Vorspann lesen und den restlichen Text ignorieren. Da bleiben natürlich die falschen Sachen hängen. Bei YouTube ist das Format „Shorts“ auf 60 Sekunden beschränkt, ein „Instagram-Reel“ sollte nicht länger als drei Minuten dauern, und auch TikToks sind sehr kurz. Das schauen sich die Menschen an, weil es schnell geht. Auf ein langes Format muss man sich schon einlassen – und nimmt sich dabei unter Umständen auch mehr Zeit, das Gesehene zu hinterfragen.

KNA: Ihre YouTube-Videos als „MrWissen2Go“ sind auch deutlich kürzer als klassische Dokumentationen. Ist das jetzt gut oder schlecht?

Drotschmann: Wenn man eine 45-minütige Doku auf den reinen Text destilliert, dann sind meine Beiträge gar nicht so kurz, wie es vielleicht scheint. In Dokus gibt es immer Passagen mit Musik oder O-Tönen. Meine Videos sind 12 bis 15 Minuten lang, aber von vorne bis hinten moderiert. Ich versuche immer ein umfassendes Bild mit einem roten Faden zu zeichnen. Ich konzentriere mich auf ein Thema – ohne viele Nebenschauplätze. Aber natürlich bietet eine klassische TV-Dokumentationen noch einmal ganz andere dramaturgische Möglichkeiten. Deshalb bin ich glücklich darüber, „Terra X“-Dokus im ZDF moderieren zu dürfen.

KNA: Was tun Sie in Ihrer Arbeit, um gegen „Fake News“ zu wirken?

Drotschmann: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist es wichtig, über falsche Dinge aufzuklären und darauf hinzuweisen. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass man eine Falschmeldung damit populärer macht. Ich versuche bei meinen Themen, bestehende Falschinformationen mit einzuweben. Dann erkläre ich: „Es gibt Menschen, die behaupten dies und jenes. Aber das stimmt nicht, es ist so oder so.“ In Ausnahmefällen mache ich auch ein ganzes Video zu einer bestimmten Falschmeldung. Das ist dann ein Sonderfall, wenn Verschwörungserzählungen entschwört werden.