Mit und ohne Religion
Von der gelernten Betonbauerin über Juristen, Mediziner und Handwerker bis hin zum ehemaligen Präsidenten des Deutschen Judo-Bundes: Über Brandenburgs Landtagsabgeordnete gibt es viele öffentliche Informationen. Doch über Religionszugehörigkeiten der Frauen und Männer im Parlament ist weniger bekannt. Nicht alle wollen in die Öffentlichkeit tragen, ob sie einer christlichen Kirche oder einer anderen Religion angehören oder nicht, weil das für sie eine Privatsache ist, die auch privat bleiben soll.
Von den 88 Abgeordneten der 2019 begonnenen fünfjährigen Legislaturperiode hatten auf der Webseite des Landtags 28 Religionszugehörigkeiten angegeben, darunter sechs Katholiken und 22 Protestanten. Dem neuen Landtag, der sich am Donnerstag konstituiert hat, gehören nur noch 18 Frauen und Männer an, die dort ihre Konfession nennen: sieben der 32 SPD-Abgeordneten, vier der 30 AfD-Abgeordneten und sieben der zwölf CDU-Abgeordneten. Von den 14 BSW- Parlamentariern nennt niemand ein religiöses Bekenntnis. Insgesamt 14 der Abgeordneten bekennen sich zur evangelischen, vier zur katholischen Kirche.
Zu denen, die ganz offen mit ihrer Kirchenmitgliedschaft umgehen, gehört Ministerpräsident Dietmar Woidke. Der SPD-Politiker gehört dem Landtag seit 30 Jahren an und wurde am 22. September für weitere fünf Jahre ins Parlament gewählt. „Evangelisch“ steht in seinem Profil auf der Webseite des Landtags. Der christliche Glaube und das humanistisch-christliche Menschenbild seien für ihn eine wichtige Richtschnur im persönlichen und im politischen Leben, sagt der ehemalige märkische Umwelt- und Innenminister, der Brandenburgs Landesregierung seit 2013 führt.
1983 habe er in der DDR beim 500. Luther-Geburtstag in Eisleben ehrenamtlich für die evangelische Kirche gearbeitet und Manfred Stolpe kennengelernt, der damals Chefjurist der evangelischen Kirche in Ost-Berlin war und 1990 Brandenburgs erster Ministerpräsident wurde. „Er war die Weiche für meinen Weg zur SPD“, sagt Woidke. Die 1989 in einem Pfarrhaus entstandene ostdeutsche Sozialdemokratie sei ohnehin „eine Art Ausgründung aus der evangelischen Kirche“ gewesen, mit der es bis heute eine große Übereinstimmung der Werte gebe.
Die Musikwissenschaftlerin Ulrike Liedtke, seit 2019 Präsidentin des Landtags, ist seit 2021 auch Domherrin des evangelischen Domstifts Brandenburg und gehört damit dessen Aufsichtsgremium an. Sie sei getauft und habe eine enge Beziehung zur evangelischen Kirche, vor allem über die Musik, sagt die SPD-Abgeordnete. Nun sei sie „stolz und froh, den Dom als Wiege der Mark Brandenburg ein Stück weit begleiten und fördern zu dürfen“.
Sie freue sich auch über die Haltung ihrer Kirche, „die dazu aufgerufen hat, demokratische Parteien in den Landtag Brandenburg zu wählen“, sagt Liedtke: „Sie verlässt gerade den geschützten Raum dicker Mauern, der auch mir Geborgenheit gibt, und geht auf die Straße, zu den Menschen, in den offenen Raum.“ Bei der Landtagswahl hat Liedtke ihr Direktmandat gegen den AfD-Kandidaten Henry Preuß verteidigt, der wegen seiner politischen Ämter in der Partei seine Ehrenämter in der evangelischen Kirche verloren hat.
Zu den AfD-Abgeordneten, die sich öffentlich zur christlichen Kirche bekennen, gehören Fraktionschef Hans-Christoph Berndt, der „katholisch“, und der parlamentarische Geschäftsführer Dennis Hohloch, der „evangelisch“ als Religion angibt. Beide werden vom Verfassungsschutz als Rechtsextremisten eingestuft. Hohloch schreibt in seinem Lebenslauf, einige Zeit evangelische Religion auf Lehramt studiert zu haben – und erklärt in einem Facebook-Video von 2021 ausführlich seinen Austritt aus der evangelischen Kirche. Berndt betonte im Wahlkampf, Nächstenliebe bedeute für ihn, sich um die Angehörigen des eigenen Volkes zu kümmern, und handelte sich damit scharfen Widerspruch vom katholischen Berliner Erzbischof Heiner Koch ein.
Einen Verlust verzeichnet die evangelische Kirche im Parlament: Der CDU-Politiker André Schaller, der sich im Ehrenamt kirchlich engagiert und seit 2018 Mitglied der Landessynode ist, gehört dem neuen Landtag nicht mehr an.