Mit Gott auf hoher See
Uniformen und Schiffe sieht er täglich: Andreas Knabe arbeitet in Kiel als Militärseelsorger – und hat schon in einem U-Boot in 100 Meter Tiefe Gottesdienste gefeiert.
Kiel. Zwei evangelische Seelsorger sind zuständig für rund 2500 Soldaten in Kiel, Kronshagen, Laboe und Neustadt, denn sie haben einen rechtlichen Anspruch auf religiöse Versorgung. „Zu Hause haben sie ihre gewohnte Gemeinde, aber hier zu einem Pastoren zu gehen, ist ein bisschen wie Spießrutenlauf. Da kommen schon mal Sprüche von den Kameraden“, erklärt der 51-Jährige Andreas Knabe. Die Räume der Seelsorge, die sich die beiden Pastoren Knabe und Kristian Lüders mit einem katholischen Kollegen teilen, sind deshalb am Rande des Stützpunktes untergebracht.
Knabe stammt aus dem Sauerland, hat in Erlangen und Münster Theologie studiert und war Pastor in der Möhne-Kirchengemeinde. Dann zog es ihn der Liebe wegen in den Norden, seit 2007 ist er Seelsorger beim Militärdekanat Kiel und Bundesbeamter auf Zeit. Seit drei Jahren arbeitet er auf dem Marinestützpunkt in der Wik. Er hält unter anderem Gottesdienste und erteilt lebenskundlichen Unterricht in der Truppe, bei dem es um das Selbstverständnis der Soldaten sowie ethische und kulturelle Fragen geht, die für die Lebensführung und das Zusammenleben wesentlich sind. „Das hier ist schon eine spezielle und völlig andere Welt als da draußen“, beschreibt er. Während ein Gemeindepastor Menschen jeden Alters, von der Wiege bis zur Bahre, begleitet, „sind es hier vor allem junge Menschen, das ist total spannend“. Meistens geht es in den Gesprächen um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Distanz zur Heimat.
Drei Monate im Einsatz auf See
Einmal im Jahr geht es vom Land aufs Wasser: Knabe betreut die Soldaten auch bei Einsätzen auf hoher See. Dann begleitet Andreas Knabe drei bis vier Monate dauernde Einsätze, die ihn in den Atlantik, Nord- und Ostsee, ins Mittelmeer oder in den Indischen Ozean führen. „Wenn ich dort gebraucht werde, geht es oft um das Miteinander an Bord, denn auf den Schiffen gibt es kaum Privatsphäre“, beschreibt er. „Dann geht man sich irgendwann auf den Wecker.“ Wenn etwas zu Hause passiert, wird er gebeten, auch traurige Nachrichten von Krankheits- oder Sterbefällen zu überbringen. Hier kommt ihm seine Erfahrung als Fachberater und Notfallseelsorger bei der Feuerwehr zugute.
„Manche Soldaten leiden auch darunter, dass sie nur sehr eingeschränkt über die sozialen Medien an dem Leben ihrer Familie oder Freunde teilhaben können“, sagt Knabe. Hat das Schiff im Hafen festgemacht, organisiert er gern mal Ausflüge, um Soldaten auf andere Gedanken zu bringen.
Es sind auch ungewöhnliche Ereignisse, die seine Arbeit spannend gestalten: So hielt er einmal einen Oster-Gottesdienst auf einem U-Boot in 100 Metern Tiefe und las aus dem Psalm 130, 1: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir: / Herr, höre meine Stimme!“
Seelsorge nach Geiseldrama
Manche Einsätze kann er nicht vergessen. So wurde er 2009 zwei Tage nach dem Ende des Geiseldramas auf das deutsche Containerschiff „Hansa Stavanger“ am Horn von Afrika vom Hubschrauber abgeseilt, um einzelne Besatzungsmitglieder seelsorgerisch zu betreuen.
Und wo lässt Andreas Knabe selbst das, was er erlebt hat? „Ein gutes Verhältnis zu den Sanitätern und Kollegen hilft oder ein verständnisvoller Mensch wie meine Frau, die mich auch mal zwei Wochen in Ruhe lässt und nicht nachhakt“, erklärt er. Und vor allem ist es die Freude an seinem Beruf, die ihn starkmacht. „Ich mache das total gerne und setze meine pädagogische Gabe ein, denn Soldaten sind hochmotiviert, sensibel und durchaus klug“, sagt er.