Mit den Hausaufgaben nicht allein

Viele Kinder müssen immer noch zuhause lernen. Doch nicht alle haben die nötige Technik und Betreuung dafür. Eine Lüneburger Gemeinde hilft jetzt – und die Schüler profitieren.

Die Lehramtsstudentin Katharina Korte lernt mir Evelyn Mathe am Rechenschieber
Die Lehramtsstudentin Katharina Korte lernt mir Evelyn Mathe am RechenschieberCarolinGeorge / epd

Lüneburg. Mit Deutsch ist Mohammed schon fertig, jetzt ist Mathe dran. „Nachher bekomme ich dafür eine Eule“, sagt der Zehnjährige und zeigt auf die kleinen Aufkleber neben seinem Schulheft. Für jedes Häkchen hinter einer Aufgabe gibt es eine. Der Zweitklässler kommt jeden Morgen ins Haus der Lüneburger evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde. Ehrenamtliche lernen dort mit Kindern aus benachteiligten Familien. Das Lüneburger Modell ist das erste seiner Art in Niedersachsen, andere Gemeinden wollen nun nachziehen.

Die Initiative ist ein Produkt der Corona-Krise: Wegen der Pandemie musste die „Kindertafel“ der Paul-Gerhardt-Gemeinde vor ein paar Wochen zeitgleich mit den Schulen schließen. Kinder aus bedürftigen Familien hatten nun keine Anlaufstelle mehr.

Schwierige Digitalisierung

Außerdem gab es in diesen Familien Schwierigkeiten mit dem Homeschooling, dem Lernen zuhause. „Viele dieser Kinder haben zu Hause weder den Ort noch die Betreuung noch die Technik, um Hausaufgaben auf Dauer zu Hause zu leisten“, sagt Oberkirchenrat Marc Wischnowsky, der das Projekt für die hannoversche Landeskirche betreut. „Auch der Sprung in die Digitalisierung ist nicht für alle Schülerinnen und Schüler machbar.“

Carolin George

Was also tun? Mitarbeiter der Gemeinde überlegten hin und her und entwickelten schließlich den „Lernraum“: ein kostenloses Angebot der Hausaufgabenhilfe mit ehrenamtlicher Begleitung in kirchlichen Räumen unter den Bedingungen der Corona-Pandemie. In Absprache mit den benachbarten Grundschulen, der Stadt und der hannoverschen Landeskirche ging das Projekt Anfang Mai an den Start. Es soll so lange angeboten werden wie nötig – natürlich mit den geltenden Hygiene- und Abstandsregeln.

Großer Bedarf

Hände waschen, Maske aussuchen und das Namensschild an den Pullover klemmen: Damit beginnt jeder Besuch eines Kindes im Lüneburger Lernraum, der im Gemeindehaus untergebracht ist. Es gibt acht Räume für jeweils ein Grundschulkind mit einem Lernpaten. Für ältere Geschwisterkinder gibt es zwei Computer-Arbeitsplätze mit Internetanschluss und Drucker. Etwa 30 Kinder kommen täglich für eine Stunde und nehmen jedes Mal eine handbemalte Tüte mit nach Hause: mit einem kleinen Picknick, etwas zum Malen oder Basteln und natürlich auch zum Lernen.

Diakonin Antje Stoffregen hat den Lernraum gemeinsam mit der Mentorin Barbara Hanusa von der Landeskirche entwickelt. „Uns war schnell klar, dass es für eine solche Unterstützung einen großen Bedarf gibt“, sagt Stoffregen. Sie leitet die Kindertafel der Gemeinde, in der Mädchen und Jungen aus den beiden benachbarten Grundschulen normalerweise nach der letzten Stunde kommen, gemeinsam Mittag essen und anschließend Hausaufgaben machen. Sie freut sich, dass sich in der Corona-Krise das neue Projekt entwickelt hat: „Die Kinder lieben die Eins-zu-eins-Betreuung, und die Erwachsenen sind froh, dass sie unter Menschen kommen und etwas Sinnvolles tun.“

Lernpaten kommen von Uni

Barbara Hanusa arbeitet als Mentorin an der Lüneburger Leuphana-Universität und hat zahlreiche Studenten aus dem Bereich Lehramt als ehrenamtliche Lernpaten gewonnen. „Für die Studierenden ist dies ein Praxisfeld für analoge Begegnung“, sagt die Pastorin und Pädagogin. „Und für die Kinder ist es elementar. Denn diese Kinder verlieren wir sonst. Sie haben zu Hause keine Chance, beim Lernen weiterzukommen, wenn keine Schule stattfindet.“

Unter dem Motto „Kirche schafft LernRaum“ soll sich die Lüneburger Idee bald in Niedersachsen weiter ausbreiten. Gerade feilen die evangelischen Kirchen mit den katholischen Bistümern an den Details. Oberkirchenrat Wischnowsky unterstreicht: „Solche Lernangebote sind gerade für Grundschulkinder sehr wichtig und ein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit.“ (epd)