„Mit dem Evangelium bringen sich Menschen nicht gegenseitig um“

Es ist ein rauschendes Fest: Frauen, Männer und Kinder singen und tanzen. Bands spielen, unter freiem Himmel gibt es einen Gottesdienst, Politiker und Kirchenleute halten Reden. Alljährlich am 5. Februar feiern Tausende Menschen auf der Insel Mansinam in der indonesischen Provinz Papua begeistert die Ankunft des Evangeliums vor fast 170 Jahren: Zwei deutsche Missionare kamen am 5. Februar 1855 auf dem westlichen Teil der Pazifikinsel Neuguinea an – und gründeten in der Folgezeit dort erste christliche Gemeinden.

Mit den Worten „Im Namen Gottes betreten wir dieses Land“ – so heißt es – gingen Carl Wilhelm Ottow und Johann Gottlob Geissler im Auftrag einer niederländischen Missionsgesellschaft in der Nähe der Stadt Manokwari an Land. Die ersten Missionare werden bis heute von vielen Einheimischen wie Heilige verehrt – auch weil sie die in blutige Fehden verwickelten Papua-Völker befriedeten. „Sie haben uns das Licht gebracht“, würdigen Vertreter der Evangelischen Kirche im Lande Papua (GKI-TP). Die Evangelische Kirche der Pfalz in Speyer unterhält mit der 800.000 Mitglieder zählenden Kirche eine enge Partnerschaft.

Manchen Beobachtern mag es mit Blick auf die dunklen Seiten der christlichen Missionsgeschichte unverständlich sein, welche Ehre den Missionaren aus dem fernen Deutschland zuteilwird: Papua legen in Manokwari am Grab Ottows Blumen nieder, Kirchengemeinden gedenken der beiden Männer. Die Handwerker-Missionare gründeten Schulen, kauften Sklaven frei, förderten landwirtschaftliche Anbaumethoden und Gesundheitsversorgung.

„Ihr Tun hat nichts mit Kolonialismus zu tun“, sagt Pfarrer Adrian Dimitri, der Leiter eines Jungenwohnheims im Regierungsbezirk Waropen. „Für die Menschen in Papua sind Ottow und Geissler die Väter eines zivilisatorischen Wandels.“ Auch für Meilanny Alfons, die in der Provinzhauptstadt Jayapura ein Frauenbildungszentrum der GKI leitet, hat die Arbeit der Missionare in der ehemaligen holländischen Kolonie nichts mit der Zerstörung einheimischer Kultur oder Religion zu tun. Diese hätten der Bevölkerung gedient. „Mit dem Evangelium bringen sich Menschen nicht gegenseitig um“, sagt Alfons.

Ein grundsätzliches Problem mit der christlichen Missionierung in Afrika, Asien oder Lateinamerika hat hingegen die Organisation „Survival International“ in Berlin, die sich für indigene Völker weltweit einsetzt. „Missionsarbeit basiert heute, genau wie vor 500 Jahren, auf dem Glauben an die eigene Überlegenheit und eine vermeintliche Rückständigkeit indigener Völker“, sagt Pressesprecher Niklas Ennen. Der Annahme, dass man Indigenen das „Licht“ bringen müsse, um sie „aus der Dunkelheit“ zu führen, unterliege ein rassistisches Weltbild.

Missionsarbeit könne für „unkontaktierte Völker“ gar tödlich sein, sagt Ennen. Sie kämen in Kontakt mit Krankheiten wie der Grippe oder Masern, gegen die sie keine Abwehrkräfte besäßen. Zwar hätten sich einzelne Christen für die Rechte indigener Völker durchaus verdient gemacht, räumt er ein. Doch hätten diese „ein Recht, selbst über ihr Leben – auch ihren Glauben – zu bestimmen“.

„Missionare waren oft Botschafter von Kultur und Sprache der Indigenen“, entgegnet Dieter Heidtmann, Generalsekretär des Missionswerkes Evangelische Mission in Solidarität (EMS) mit Sitz in Stuttgart. Viele von ihnen hätten sich gegen die koloniale Ausbeutung und Unterdrückung gestemmt und gälten in den EMS-Mitgliedskirchen als „Kirchenväter und -mütter“, sagt der Pfarrer.

„Es ist nicht an uns zu urteilen, wie das Wirken deutscher Missionare anderswo einzuordnen ist“, sagt die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst, die vor einem Jahr mit einer Delegation zur Feier auf Mansinam eingeladen war. Man müsse die Papua fragen, wie sie Mission sähen, rät Wüst. „Sonst folgen wir in unserer Auseinandersetzung mit Mission und Kolonialisierung nur wieder demselben Muster wie damals und degradieren Partner zu Objekten.“