Missbrauchstäter im Straßennamen: Bürger entscheiden
Eine Straße in Eslarn (Bayern) erinnert an den Pfarrer Georg Zimmermann – der Missbrauchstäter war. Am Sonntag entscheiden die Bürger über eine Umbenennung der kleinen Straße. Der Ort ist gespalten.
Soll ein verurteilter Missbrauchstäter weiter mit einem Straßennamen geehrt werden? Über diese Frage stimmen am Sonntag rund 2.200 Wahlberechtigte in der Oberpfälzer Marktgemeinde Eslarn (Bayern) ab. Es geht um die kleine “Georg-Zimmermann-Straße”, dessen Namensgeber in dem Ort als Musiker wirkte. Doch der Pfarrer saß wegen Kindesmissbrauchs in Haft.
Angestrengt haben die Abstimmung Anwohner der Straße, die gegen die vom Kommunalparlament beschlossene Umbenennung sind. Dafür konnten sie fast 700 Unterstützer mobilisieren. Die Debatte scheint Eslarn zu spalten. Eine Prognose über den Ausgang wagt nicht einmal der Bürgermeister.
Vonseiten der Anrainer werden vor allem Kosten und Aufwand für das Umschreiben von Adressen geltend gemacht, etwa in Ausweis und Fahrzeugpapieren. Bürgermeister Reiner Gäbl (SPD) hat den etwa 30 Haushalten zugesichert, dass die Marktgemeinde für die notwendigen Änderungen keine Gebühren verlangen werde. Im Prinzip komme auf die Anwohner nichts anderes zu als nach einem Umzug, sagte Gäbl dem “Spiegel” in einem Interview. “Aber im Vergleich dazu, dass sich jemand massiv an Kindern und Jugendlichen vergangen hat, die von ihm abhängig waren, ist das doch nachrangig.”
Georg Zimmermann wegen Kindesmissbrauchs in Haft
Die Kritiker der Umbenennung bezweifeln indes auch, dass der Namensgeber der Straße nach dem Verbüßen seiner Haft Anfang der 1970er Jahre rückfällig geworden sei. 1969 wurde Georg Zimmermann wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Haftstrafe von 20 Monaten verurteilt. In der Tat gab es seither keine weiteren Fälle, die bei der Justiz aktenkundig wurden. Allerdings liegen dem Betroffenenbeirat im Bistum Regensburg und anderen Stellen Aussagen mehrerer Personen vor, die angeben, dass sich der 1984 verstorbene Geistliche an ihnen vergangen habe – nach der Entlassung aus dem Gefängnis.
Die Anrainer der “Georg-Zimmermann-Straße” haben inzwischen vorgeschlagen, die Schilder mit einem QR-Code zu versehen. Dieser würde dann weitere Informationen zum Namensgeber abrufbar machen, auch zu seinen Straftaten. Diese Anregung sei aber nicht Inhalt der Entscheidung am Sonntag, sagt Gäbl. Und er hält sie auch nicht für zielführend. “Für mich geht es nicht an, dass Straßen oder Plätze die Namen von Verbrechern tragen.”
Regensburger Betroffenenbeirat wollte Umbenennung
Der katholische Pfarrer und ehemalige Diözesanmusikdirektor Zimmermann stand trotz seiner Verurteilung in seinem Heimatort Eslarn weiter in hohem Ansehen. Seit 1973 verbrachte er dort seinen Ruhestand. Der Theologe hat in Eslarn als Musiker gewirkt, einen Chor und die Musikschule gegründet. Seit 1993 trägt dort eine Straße seinen Namen.
Die Gemeinderatsbeschlüsse zur Umbenennung gehen auf eine Initiative des Regensburger Betroffenenbeirats zurück. Dieser präsentierte den Ratsmitgliedern unter anderem Aussagen eines Eslarner Bürgers, der mutmaßlich von Zimmermann missbraucht wurde. Wegen befürchteter Repressalien seitens seiner Mitbürger traue er sich bis heute nicht, namentlich in Erscheinung zu treten, heißt es. Richard Nusser vom Betroffenenbeirat sagte der “Süddeutschen Zeitung”: “Dieses Namensschild macht uns zum zweiten Mal zum Opfer.”
Missbrauchsbetroffener liefert bedrückenden Bericht
Vor Kurzem war ein Mitglied des Betroffenenbeirats abermals in Eslarn. Bei einer Veranstaltung der örtlichen SPD sprach der Mann über seine erlittenen Demütigungen. “Es war für ihn eine große Überwindung, alle Anwesenden waren tief beeindruckt und zugleich schockiert”, sagte der Bürgermeister im Anschluss der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Deshalb wird es am Sonntag weder für die Befürworter noch die Gegner einer Umbenennung einen Erfolg geben. Gewinnen oder verlieren können nur die unzähligen Opfer seelischer und körperlicher Gewalt, nicht nur diejenigen von Georg Zimmermann.”
Bistum unterstützt Umbenennung
Auch das Bistum Regensburg hat sich klar positioniert. “Solange die Straße den Namen eines verurteilten Sexualstraftäters trägt, werden die durch diesen begangenen Verbrechen verharmlost, während ihm selber eine Ehrung zuteil wird”, heißt es in einem Brief der Präventionsbeauftragten des Bistums an den Eslarner Bürgermeister. “Für Betroffene ist es unzumutbar, tagtäglich zu sehen, dass ihr eigenes Leid ignoriert und stattdessen der Täter geehrt wird.”
Bistumssprecher Stefan Groß betont: “Niemand kann sich darauf berufen, die Diözese Regensburg würde die Straftaten Zimmermanns relativieren.” Das beim Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber in Auftrag gegebene neue Missbrauchsgutachten werde “mit Sicherheit die Missbrauchstaten von Zimmermann detailgenau aufrollen”.