Missbrauch in der Kirche: Betroffener sieht „erste Lernfortschritte“

Der Sprecher der Betroffenen von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie, Detlev Zander, sieht in der hannoverschen Landeskirche „erste Lernfortschritte“ bei der Aufarbeitung. Mit Blick auf eine am Wochenende anstehende „Werkstatt Aufarbeitung“ in der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg sagte Zander im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Tagungen wie diese zeugen von dem Anliegen, das Thema endlich umfassend und auf allen Ebenen von Kirche und Diakonie anzugehen.“

Um aber Prävention und vor allem Aufarbeitung wirklich glaubhaft und erfolgreich vorantreiben zu können, bedürfe es eines größeren Engagements der Kirchenleitung. „Vor allem von Bischof Meister erwarte ich, dass er seiner Führungsrolle gerecht wird und das Thema Missbrauch zur Chefsache Nummer Eins macht“, sagte Zander. Am Freitag (12. April) diskutiert er zum Auftakt der Loccumer Tagung gemeinsam mit seiner Co-Sprecherin Nancy Janz mit dem hannoverschen Landesbischof Ralf Meister sowie dem Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke.

Zander würdigte, dass Meister sich dafür stark mache, dass das Thema sexualisierte Gewalt beim Kirchentag 2025 in Hannover eine wichtige Rolle spielen werde. „Ähnliches Engagement erwarte ich jetzt bei der Aufarbeitung vergangener Fälle. Ich erwarte, dass die Landeskirche lupengenau ermittelt, wie viele Fälle vertuscht und verschleppt oder inadäquat bearbeitet wurden und wer genau dafür Verantwortung trägt.“

Gerade dieser Teil der Aufarbeitung sei „unangenehm, aber unvermeidbar“, wenn Kirche Glaubwürdigkeit und moralische Integrität zurückgewinnen wolle, sagte Zander. Zudem sei eine „ehrliche Bestandsaufnahme aller Versäumnisse“ auch entscheidend, um über angemessene Anerkennungszahlungen für die Betroffenen reden zu können.

Der Betroffenensprecher sagte, für Menschen, die im Raum der Kirche sexuelle Gewalt erfahren hätten, sei es eine „unglaublich schwierige und schmerzhafte Erfahrung“, sich mit dem Erlittenen auseinanderzusetzen und damit an die Kirche und die Öffentlichkeit heranzutreten. „Wir haben uns dem ausgesetzt und uns weiterentwickelt – nicht weniger erwarten wir von der evangelischen Kirche.“

Mit Blick auf die unabhängigen regionalen Aufarbeitungskommissionen, die derzeit geschaffen werden, um die Aufarbeitung auf Ebene der Landeskirchen voranzutreiben, betonte Zander, dass es „eine anspruchsvolle Aufgabe“ sei, Betroffene für die Mitarbeit zu gewinnen. „Viele sind verständlicherweise komplett auf Distanz zur Kirche gegangen. Andere würden es vermutlich nicht packen, neben Profis wie Richtern und Politikern in einer solchen Kommission zu bestehen.“

Dennoch müssten „die Stimme und die Anliegen der Betroffenen leitend für den weiteren Aufarbeitungsprozess“ bleiben. Zander forderte, dass den Betroffenen in den Kommissionen etwa in juristischen Fragen oder in Kommunikationsfragen professionelle Unterstützung zur Verfügung stehen müsse, „um Augenhöhe herzustellen“.