Missbrauch: Erzbistum Hamburg zahlte fast eine Million Euro an Opfer

Das katholische Erzbistum Hamburg hat bislang fast eine Million Euro an Betroffene sexualisierter Gewalt gezahlt. Aus dem Erzbistum Hamburg seien seit 2011 insgesamt 79 Erstanträge und 22 Folgeanträge, mit denen die erste Zahlung noch einmal überprüft werden soll, gestellt worden, teilte Generalvikar Pater Sascha-Philipp Geißler am Donnerstag in Hamburg bei der Vorstellung des ersten, 27-seitigen Tätigkeitsberichts der Stabsstelle Prävention und Intervention des Erzbistums mit. Der Bericht umfasst laut Geißler die Arbeit der Stabsstelle von ihrer Errichtung im Jahr 2011 bis 2023. Erzbischof Stefan Heße hatte im vergangenen Jahr angekündigt, künftig einen jährlichen Tätigkeitsbericht der Stabsstelle zu veröffentlichen.

Zwischen 2011 und 2022 gingen laut Geißler 272 Vorfallsmeldungen ein. Im vergangenen Jahr waren es 24 Meldungen. Davon betrafen sieben Vorwürfe sexualisierter Gewalt an Kindern, Jugendlichen und schutz- und hilfsbedürftigen Erwachsenen durch Kleriker, Ordensangehörige und andere haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende im kirchlichen Dienst. Fünf dieser sieben Meldungen beziehen sich auf Fälle, die etwa 50 Jahre zurückliegen. Zwei Meldungen betreffen aktuelle Vorfälle. Zugleich betonte er auf Nachfrage, dass die Zeit noch nicht gekommen sei, um Täternamen zu nennen. Er begründete dies mit dem Datenschutz und dem Schutz von Persönlichkeitsrechten.

In den eingegangenen Vorfallsmeldungen seien in der Vergangenheit Vorwürfe sexualisierter Gewalt an Kindern, Jugendlichen und schutz- und hilfsbedürftigen Erwachsenen enthalten gewesen, aber auch Vorfälle unter Kindern und Jugendlichen, sagte Geißler. Auch Anzeigen, die sich auf Machtmissbrauch oder Mobbing beziehen, seien aufgenommen worden. Erfasst worden seien im Rahmen der Amtshilfe zudem Meldungen, für die Orden oder andere Bistümer zuständig waren.

Im Stabsstellen-Referat Prävention gehe es auch um Präventionsschulungen für alle haupt- und ehrenamtlich tätigen Personen im Erzbistum Hamburg, erklärte Geißler. Alle fünf Jahre sei eine Requalifizierung vorgesehen. Seit 2012 seien rund 14.000 Personen geschult oder requalifiziert worden. „Aus meiner Sicht bedeutet das, dass die Sensibilisierung für sexualisierte Gewalt im Erzbistum Hamburg in dieser Zeit deutlich gewachsen ist.“

Diese Sensibilisierung zeige sich auch in den institutionellen Schutzkonzeptprozessen. Etwa 120 Institutionen im Erzbistum, Pfarreien, Schulen, Kindertagesstätten, Verbände oder Beratungsstellen hätten inzwischen zertifizierte Schutzkonzepte. Die vorgegebenen Rahmenbedingungen wie die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses und die Verpflichtung zu Präventionsschulungen unterstützten diese Entwicklung. Die Schutzkonzepte würden nach fünf Jahren überprüft und aktualisiert.

Das Stabsstellen-Referat Intervention bearbeite alle Fälle, die dem Bereich sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext zugeordnet werden können, sagte Geißler. Ziel sei es, möglichst früh einzugreifen, die Gewalt zu beenden und betroffenen Personen sowie Institutionen Unterstützung anzubieten. Das Referat sei in Zusammenarbeit mit den vier unabhängigen Ansprechpersonen eine Anlauf- und Begleitstelle für Betroffene. Zudem unterstütze es die betroffenen Einrichtungen und Personengruppen vor Ort, die durch die Vorkommnisse irritiert und verunsichert sind. Beschuldigten werde die Begleitung durch eine externe Person angeboten.

Unterdessen kritisierte der Betroffenenrat Nord in einer Mitteilung unter anderem, dass der Tätigkeitsbericht der Stabsstelle erstellt und veröffentlicht worden sei, ohne vorher den Betroffenenrat hinzuzuziehen. Themen wie die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle, konkrete Verfahren für die Betroffenenbegleitung und Täter-Monitoring fehlten im Bericht ganz und würden nur schlaglichtartig angerissen.

Generalvikar Geißler sagte, dem Betroffenenrat und der Aufarbeitungskommission seien „Resonanzgespräche“ in der kommenden Woche angeboten worden. Weitere Gespräche würden bei Bedarf folgen. Betroffenenrat und Aufarbeitungskommission hätten den Bericht vorab bekommen.