Mit bloßen Händen graben sie in tiefer Erde. Statt zur Schule zu gehen, müssen kleine Jungen und Mädchen im Kongo oft in dunklen Minen schuften. Bis zu 40 000 Kinder arbeiten laut dem UN-Kinderhilfswerk Unicef unter miserablen Bedingungen in den Stollen. Nur mit Hose und T-Shirts bekleidet holen sie Kobalt und Coltan hervor – diese Rohstoffe stecken in Hightech-Geräten wie Smartphones.
Dass ein Kind in Deutschland gezwungen wird, zu arbeiten, ist eigentlich undenkbar. Im Süden und im Osten des Kongo gehört harte körperliche Arbeit allerdings zum Alltag von Kindern: in Minen oder sogar als Kindersoldaten. Die Demokratische Republik Kongo ist das wichtigste Herkunftsland der für Mobiltelefone nötigen Rohstoffe Coltan und Kobalt. Kobalt wird benötig, um Lithium-Ionen-Batterien herzustellen.
Die Rohstoffe werden oft durch Kinderarbeit gewonnen. Die Jungen und Mädchen kennen ihre Rechte nicht, sind ahnungslos. Sie werden gezwungen, wie Sklaven zu arbeiten. Sie tragen keinen Schutzhelm, keine Handschuhe oder sonstige Schutzkleidung und müssen einen ganzen Tag – bis zu 24 Stunden – unter Tage arbeiten und sind dabei radioaktiver Strahlung ausgesetzt.
Manche sind erst um sieben Jahre alt oder sogar noch jünger. Weil sie klein und flink sind, kommen sie besser als erwachsene Männer durch die engen Schächte und Löcher. Bis zu 50 Meter tief klettern sie in die Minen. Dort buddeln sie dann mit ihren Händen oder mit einfachen Werkzeugen nach Mineralien. Es ist harte Knochenarbeit. Dafür bekommen sie ein bis zwei US-Dollar am Tag. Sie werden als billige Arbeitskräfte missbraucht.
Wer nicht schnell genug arbeitet, bekommt Schläge
Der Lohn reicht meist nicht, um davon wirklich leben zu können. Doch die Familien brauchen das Geld der Kinder, um überhaupt zu überleben. Einen Schulbesuch können sich viele Eltern nicht leisten. Viele von ihnen haben daher keine Chance auf eine Schul- und Berufsausbildung. In den Bergwerken und zuhause erleben sie viel Gewalt und werden oft bestraft. Wer nicht schnell und genug arbeitet, bekommt Schläge.
Dazu kommen Arbeitsunfälle und Krankheiten. Viele Kinder kommen bei Erdrutschen ums Leben, „sie werden regelrecht lebendig begraben“, wie Augenzeugen berichten. Wieder andere werden von Krankheiten wie Malaria geplagt: Sobald der Regen kommt, füllen sich die Minen mit Wasser und locken Mücken an. Die Krankheit führt bei den meisten zum Tod.
Neben der hohen Kindersterblichkeit (90 Prozent) leiden viele Jungen und Mädchen an Mangel- und Unterernährung. Auf der Straße suchen sie dann nach Essen – so wird die Straße zu ihrem Zuhause. Es ist ein Leben ohne den Schutz der Familie, ohne Bildung. Überall sind sie vielen Gefahren ausgeliefert, die ihnen das Leben schwer machen.
Unter Gewalt, Krieg und Terror in der Demokratischen Republik Kongo leiden vor allem Kinder und Frauen. Die politische Situation ist sehr instabil, brutale Militäraktionen und Korruption beherrschen den Alltag. In den vergangenen 20 Jahren der Instabilität im Osten Kongos (Nord- und Süd-Kivu, Ituri, Katanga) ist die Zahl der bewaffneten Gruppen und Milizen von 30 (2008) auf 70 (2017) gestiegen.
Bereits 2002 hatte die UNO festgestellt, dass es sich im Kongo um einen Wirtschaftskrieg um Rohstoffe handelt und die Gier nach dem schnellen Geld groß ist. Durch Gewalt und Konflikte sind viele Schulen zerstört worden – zehntausende von Kindern werden keine Schule besuchen können. Und: Rebellen finanzieren mit den Rohstoffen ihre Waffen.
Obwohl der Kongo wegen seiner Rohstoffe und seines Regenwaldes eines der reichsten Länder der Erde ist, zählt es zu den ärmsten der Welt. Die meisten Menschen im Kongo – 88 Prozent der Bevölkerung – leben unter der Armutsgrenze. Etwa 64 Prozent der Frauen, Männer und Kinder im Land sind Analphabeten. Nur sieben Prozent haben Zugang zu Strom und Wasser, die Lebenserwartung liegt gerade mal bei 51 Jahren.
Der Abbau von Rohstoffen hat auch ökologische Folgen: Immer mehr Regenwaldflächen werden abgeholzt, um neue Fundstätten zu erschließen. Ganze Dörfer verschwinden, ihre Bewohner werden gezwungen, umzusiedeln. Durch Sprengungen und Straßenbau werden die Böden durch chemische Stoffe verseucht. Ganze Lebensräume für Menschen sowie für Tier- und Pflanzenwelt werden zerstört. Durch die Abholzung nimmt die Wasserspeicherkraft des Bodens ab und die Trinkwasservorräte werden geringer.
Mit der Handy-Aktion NRW werden die in Althandys enthaltenen wertvollen Rohstoffe recycelt oder noch nutzbare Geräte zur Wiederverwendung aufbereitet. Die Erlöse kommen Familien in der Demokratischen Republik Kongo zugute. Damit unterstützt werden beispielsweise Traumazentren und medizinische Hilfen, um Opfern neuen Mut zu geben.
Ein Ziel ist damit klar verbunden: Die Rohstoffe zur Handy-Produktion dürfen nicht länger durch Kinder- und Zwangsarbeit abgebaut werden. Menschenrechte sowie Arbeits- und Umweltstandards müssen die Unternehmen einhalten.
Internet: https://handyaktion-nrw.de.
Der Autor, Jean-Gottfried Mutombo, ist promovierter Pfarrer und ökumenischer Mitarbeiter beim Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe). Er stammt aus dem Kongo.
