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Millionen für Missbrauchsbetroffene in den USA

Die katholischen Erzbistümer von New York und New Orleans stehen vor einem Durchbruch bei den Verhandlungen mit Missbrauchsopfern. Es geht um dreistellige Millionenbeträge.

Endgültig entschieden ist noch nichts, aber der New Yorker Kardinal Timothy Dolan verbreitet Zuversicht, dass eine Lösung bevorsteht. In einem Schreiben an die Katholiken seines Erzbistums kündigt Dolan an, man werde mindestens 300 Millionen US-Dollar für die Betroffenen von sexuellem Missbrauch aufbringen. Dafür habe die Kirche “eine Reihe sehr schwieriger finanzieller Entscheidungen” getroffen. Unter anderem kürzte die Erzdiözese demnach das laufende Budget um zehn Prozent, baute Personal ab und verkaufte “bedeutende Immobilien”, darunter den langjährigen Hauptsitz an der First Avenue in Manhattan.

Mit dem eingesparten beziehungsweise erlösten Geld sollen bis zu 1.300 Personen entschädigt werden, die als Minderjährige von Priestern oder Kirchenmitarbeitern sexuell missbraucht worden seien. Der sexuelle Missbrauch habe “Schande über unsere Kirche gebracht”, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Schreiben des Erzbischofs. Darin bittet er “um Vergebung für das Versagen derjenigen, die das Vertrauen in sie verraten haben, indem sie nicht für die Sicherheit unserer Jugend gesorgt haben”.

Das Erzbistum einigte sich den Angaben zufolge mit Vertretern der Betroffenen auf einen neutralen Vermittler: Daniel J. Buckley, ein pensionierter Richter aus Kalifornien, der diese Aufgabe bereits bei einer ähnlichen Einigung zwischen dem Erzbistum Los Angeles und mehr als 1.000 Missbrauchsopfern übernommen hatte.

Doch deren Vertreter bleiben vorsichtig. Anwalt Jeff Anderson bezeichnete die Ankündigung als “Schritt in die richtige Richtung”. Allerdings gebe es bisher noch keine Einigung, sondern lediglich “einen Vorschlag für einen Prozess, durch den man in eine Mediation geht”. Es sei das erste Mal, dass die Erzdiözese Bereitschaft zeige, sich darauf einzulassen. “Wir bleiben hoffnungsvoll.”

Ob sich beide Seiten tatsächlich auf 300 Millionen US-Dollar einigen werden, ist unklar. Die endgültige Summe könnte höher oder niedriger ausfallen. Seit das Parlament des Bundesstaates New York 2019 den “Child Victims Act” und 2022 den “Adult Survivors Act” verabschiedete und damit die Verjährung bei sexuellem Missbrauch aufhob, ging eine Flut von Klagen gegen die acht auf dem Gebiet des Bundesstaates liegenden katholischen Bistümer nieder. Sechs Diözesen mussten in der Folge Insolvenz anmelden. Das Erzbistum New York will dem offenbar zuvorkommen. Mit 2,5 Millionen Katholiken ist es das zweitgrößte in den Vereinigten Staaten.

Während in New York noch manches in der Schwebe bleibt, scheint eine Einigung zwischen dem Erzbistum New Orleans und Missbrauchsopfern dort in trockenen Tüchern. Am Montag genehmigte eine Bundesrichterin in Louisiana die Zahlung von mindestens 230 Millionen US-Dollar an Hunderte von Betroffenen. Der Anwalt des Erzbistums, Mark Mintz, hatte vor Gericht auf die fast einstimmige Zustimmung der Opfer hingewiesen.

Erzbischof Gregory Aymond zeigte sich anschließend erleichtert. Er hoffe, dass die Einigung den Betroffenen “einen Weg zu ihrer Heilung und Versöhnung” biete. Die Auszahlungsbeträge an rund 650 Personen werden durch ein Punktesystem bestimmt, das von einem Komitee der Opfer ausgehandelt wurde. Das System basiert auf der Art des Missbrauchs sowie den Auswirkungen auf das Verhalten, die schulischen Leistungen, die psychische Gesundheit und die familiären Beziehungen der Betroffenen.

Das Erzbistum hatte nach einer Reihe schlagzeilenträchtiger Enthüllungen im Mai 2020 Insolvenz angemeldet. Die Verhandlungen traten über Jahre auf der Stelle. Nachdem Papst Leo XIV. Bischof James Checchio zum Koadjutor von New Orleans ernannte, gelang der Durchbruch.

Die Einigungen in New York und New Orleans reihen sich ein in eine lange Geschichte von Vergleichen mit Missbrauchsopfern. Den Anfang machte das Erzbistum Boston, das 2003 insgesamt 85 Millionen US-Dollar an mehr als 500 Betroffene zahlte. Seitdem haben dutzende Diözesen und Orden in den USA Hunderte Millionen Dollar an Entschädigungen gezahlt. An der Spitze steht bislang das Erzbistum Los Angeles mit einer Einigung über 880 Millionen US-Dollar im vergangenen Jahr.