Militärische Emissionen torpedieren Kampf gegen den Klimawandel

Kriege verursachen grenzenloses Leid. Menschen verlieren ihr Leben und ihr Zuhause, Natur und Ortschaften werden zerstört. Die durch Waffen freigesetzten klimaschädlichen Emissionen hat kaum jemand auf dem Zettel.

In der Ukraine, in Nahost oder in Äthiopien, Myanmar und im Sudan – an vielen Orten in der Welt gibt es derzeit kriegerische Auseinandersetzungen. Raketen und Bomben legen Häuser und ganze Siedlungen in Schutt und Asche, verwüsten Wälder, Naturschutzgebiete und landwirtschaftliche Flächen. Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen werden vorübergehend oder dauerhaft vernichtet.

Greenpeace und die in der Ukraine tätige Umweltorganisation Ecoaction haben in einer digitalen Karte besonders gravierende Schäden dokumentiert. Dazu zählen unter anderem großflächige Waldbrände nach Raketeneinschlägen, das Austreten extrem giftiger Gase aus bombardierten Kraftwerken und Ölverschmutzungen im Schwarzen Meer, die sogar vom Weltraum aus zu sehen sind. Etwa 20 Prozent der ukrainischen Naturschutzgebiete sind bislang von Kriegsschäden betroffen – nach offiziellen Angaben 1,24 Millionen Hektar schützenswerte Flächen und drei Millionen Hektar Wald.

Rund 900 schwere Umweltschäden hat Ecoaction in der Ukraine seit Kriegsbeginn festgehalten; 30 davon wurden mit Satellitenaufnahmen überprüft. „Diese Umweltzerstörung durch den Krieg muss mehr berücksichtigt werden“, fordert der ukrainische Greenpeace-Aktivist Denys Tsutsaiev auf der Homepage von Greenpeace. Für den ökologischen Wiederaufbau rechnet er mit einem erheblichen finanziellen Bedarf und umfangreichen Hilfsmaßnahmen. Umweltexperten warnen zudem davor, dass Schwefel und Kupfer aus Munitionsresten auch nach Kriegsende noch Böden kontaminieren. Über das Grundwasser könnten sie in die Nahrungskette von Menschen und Tieren gelangen und diese vergiften.

Wenn Lebewesen durch Kriege ihre Existenzgrundlagen verlieren und der Klimawandel durch die dabei freigesetzten Schadstoffe beschleunigt wird, hat das bislang kaum jemand auf der Rechnung. Doug Weir untersucht für eine britische Wohltätigkeitsorganisation die Umweltdimensionen bewaffneter Konflikte. Er fordert, die militärischen Emissionen und daraus resultierende Klimakosten zu berücksichtigen. Immerhin seien rund 5,5 Prozent aller weltweit freigesetzten Schadstoffe mit Konflikten oder Militär verbunden, schreibt er in einem Beitrag für die Zeitung „The Guardian“.

Militärische Verschmutzungen torpedieren aus seiner Sicht abgestimmte globale Klimaschutzmaßnahmen. Damit würden Kriege auch „unsere kollektive Sicherheit untergraben“, erklärt Weir. Um beim Klimawandel gegensteuern zu können, müssten sämtliche Emissionen aufgeschlüsselt und minimiert werden – ob zu Friedens- oder Kriegszeiten. „Aber wenn es um militärische oder Konfliktemissionen geht, bleibt dies ein fernes Ziel.“

Beim Ukraine-Krieg sei erstmals versucht worden, solche Umweltbelastungen umfassend zu dokumentieren. Dieser habe demnach so viele Emissionen verursacht wie etwa ganz Belgien in einem Jahr. Weir fordert deshalb, CO2-Kosten aus militärischen Aktivitäten auch bei Klimakonferenzen in den Blick zu nehmen. „Wäre das globale Militär ein Land, würde es in Bezug auf seine Emissionen an vierter Stelle stehen, zwischen Indien und Russland.“

„Ohne Zweifel sind Auswirkungen von Kriegen auf die Umwelt und das Klima immens“, bestätigt Jörg Lüer, Geschäftsführer der Deutschen Kommission Justitia et Pax. Das größte Problem sei dabei allerdings nicht eine verheerende CO2-Bilanz, „sondern neben dem direkten Leiden und den konkreten materiellen Zerstörungen die langfristige Vergiftung der politisch-kulturellen Verhältnisse, die Zerstörung von Vertrauen und die Schwächung des Geistes der Kooperation“. Da sich das Zeitfenster für die gemeinsame Bewältigung der Klimaherausforderung rasch schließe, sei dies katastrophal. „Wir verlieren kostbare Zeit und Handlungsfähigkeit, mit schlimmen Folgen.“

Der Theologe ist überzeugt: „Einen klimafreundlichen Krieg wird es nicht geben“. Wer sich für aggressive Gewalt entscheide und „die mühseligen Wege der internationalen Kooperation“ verlasse, betrachte die Auswirkungen auf Umwelt und Klima meist als Kollateralschaden, sagt Lüer. Dabei ist die Vernichtung der Lebensgrundlagen im Völkerrecht als Straftatbestand verankert. Das 1976 verabschiedete Umweltkriegsübereinkommen ENMOD ächtet die absichtliche Umweltzerstörung in Kriegszeiten.

Lüer ist indes skeptisch, dass man der Bereitschaft zur Gewalt allein mit politischer Moral und Völkerrecht beikommen könne. Letztendlich müsse allen Beteiligten deutlich werden, „dass sich die Wege der Gewalt nicht auszahlen“. Die Menschheit werde langfristig nur überleben, wenn sie zu einer Kultur der regelbasierten internationalen Kooperation finde.

Und wenn Schuldige von Natur- und Klimasünden zur Rechenschaft gezogen werden. Ein Beispiel, wo dies bereits praktiziert wurde, ist der Zweite Golfkrieg 1990. Rund 700 Ölfelder wurden damals in Brand geschossen, der Boden und der Persische Golf verunreinigt. Rund 240 Milliarden Liter Erdöl sind dort damals nach ZDF-Recherchen über neun Monate unkontrolliert verbrannt – das Zweifache des jährlichen Rohölverbrauchs in Deutschland. Der Irak wurde daraufhin vom Internationalen Gerichtshof verpflichtet, Kuwait rund 50 Milliarden US-Dollar Entschädigung für Umweltschäden zu leisten.

Dies könnte eine Blaupause für den Umgang mit Russland sein – ein Grund, warum die Umweltzerstörung in der Ukraine nun akribisch dokumentiert wird. Die langfristigen Kosten für das Klima und das Leben unzähliger Menschen sind dabei noch nicht eingepreist.