Menstruationsblut? Ganz natürlich und trotzdem ein Tabu

In Japan wird der Zeitpunkt der ersten Periode mit rotem Reis gefeiert. In Deutschland gesteht man sich dieses Ereignis dagegen eher klammheimlich. Eine Schau in Berlin widmet sich ab Freitag der Monatsblutung.

Plinius der Ältere glaubte vor 2.000 Jahren, dass Stahl stumpf wird, wenn Menstruierende ihn anfassen. Und noch im 19. Jahrhundert waren sich Menschen sicher: Schauen Frauen, die ihre Periode haben, in einen Spiegel, wird er trüb. Zahlreiche Mythen ranken sich um das monatliche Blut, das entsteht, wenn die Gebärmutter eine unbefruchtete Eizelle und nährstoffreiche Schleimhaut abstößt.

„Der natürliche Vorgang der Menstruation wird immer noch weltweit tabuisiert und größtenteils als etwas zu Verbergendes behandelt“, sagte Museumsdirektorin, Elisabeth Tietmeyer, zur Eröffnung von „Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“ am Donnerstag in Berlin. So habe auch die Vorbereitung der Schau im Museum Europäischer Kulturen eine „Sammlungslücke“ zum Thema Menstruation offenbart – obwohl sich die Einrichtung mit europäischer Alltagskultur beschäftige und die Periode und ihr Umgang damit zum Alltag von zwei Milliarden Menschen zählten. Ab Freitag zeigt das Museum nach dreijähriger Vorbereitung rund 100 historische sowie brandneue Menstruationsartikel sowie Interviews, Musik, Filme und Kunst zum Thema Periode.

Die in vier Bereiche gegliederte Ausstellung informiert anhand von Schaubildern und Hand-On-Stationen über den aktuellen Wissensstand und klärt über falsche Theorien auf: So vermutete man etwa Anfang des 20. Jahrhunderts, dass im Blut und Schweiß von Frauen während der Periode das so genannte Menotoxin – Menstruationsgift – existiere, das Blumen verwelken lasse. Diese These existierte bis Ende der 1970er Jahre.

Gezeigt werden etwa ein alter Bindenverbrennungsautomat, verschiedene Menstruationsartikel oder historische Werbeanzeigen, an denen sich die Entwicklung der Periodenprodukte ab 1880 nachvollziehen lässt. „Erst ab diesem Zeitpunkt gab es so etwas wie Unterhosen, an denen man die Produkte befestigen konnte“, erklärt Kuratorin Jana Wittenzellner. Vorher trug man lange Hemden – das Blut lief einfach raus, „oder vielleicht bastelten sich die Frauen auch selbst etwas“.

Besucher der Ausstellung können etwa „Wäsche für besondere Tage“ anprobieren, um nachzufühlen, wie es Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts während ihrer Periode erging. Das Museum hat die großformatigen Leinenhosen eigens nach alten Schnittmustern nachnähen lassen. „Die Besucher sollen nachempfinden, wie man sich mit so einer Hose bewegen musste“, sagt Wittenzellner. Aktuelle Interviews etwa mit einer Frau mit Essstörung oder einer mit Fluchterfahrung sollen den Umgang mit der Periode in unterschiedlichen Situationen verdeutlichen.

Grundsätzlich gehe es in der Ausstellung auch um einen „vergnüglichen Zugang“, der es leicht machen solle, sich näher mit der Menstruation zu beschäftigen, so Wittenzellner. Auch wenn Aufklärungsunterricht heute in jeder Schule stattfinde und Periodenprodukte für die unterschiedlichsten Bedürfnisse zum Kauf angeboten würden, sei der Weg zu „Period Dignity“ noch weit. So seien etwa alle körperlichen Vorgänge rund um die Menstruation noch nicht hinreichend erforscht. „Zwischen der Erforschung von Frauengesundheit und der von Männergesundheit gibt es eine eklatante Lücke“, erklärte die Kuratorin.

„Einfach bluten geht nicht“, so Wittenzellner. Der Vorgang an sich sei mit bestimmten Vorstellungen und Vorurteilen verknüpft, was etwa durch Sprüche wie „Du hast so schlechte Laune – hast Du Deine Tage?“ deutlich werde. Auch die Werbeindustrie machte sich dies zunutze, wie ein Plakat aus den 1950er Jahren für ein Tampon zeigt. Dort heißt es: „Die Männer lieben einen ausgeglichenen Charakter – deswegen benutzen allen Frauen, die es sich nicht leisten können, einige Tage im Monat ’nicht in Form‘ zu sein, den neuzeitlichen Amira Monatstampon“.

Thematisiert wird in der Schau auch die „Periodenarmut“: Tampons, Binden, Menstruationstassen und Schmerzmittel kosten monatlich so viel Geld, dass diese Ausgaben Frauen mit wenig finanziellen Mitteln in ihrem Lebensstil beeinträchtigen können. Dass das nicht so sein muss, dafür führt die Ausstellung das Beispiel Schottland an: Allen Schottinnen stehen seit 2020 kostenlos Periodenprodukte zu.