Menschenrechtler: Sexualisierte Kriegsgewalt in Kosovo aufarbeiten

Kosovo gilt als jüngster Staat Europas. Doch der Krieg der 1990er Jahre wirft einen langen Schatten auf die kleine Nation – vor allem für die Frauen.

Die deutsche Frauenrechtsorganisation Medica Mondiale hat zu einer effizienteren Aufarbeitung sexualisierter Kriegsgewalt in Kosovo aufgerufen. Überlebende fristeten 25 Jahre nach Kriegsende ein Dasein in “anhaltender sozialer Isolation”, kritisierte die Organisation am Donnerstag in der Hauptstadt Pristina. Gemeinsam mit der Politik des Landes wolle man die Stigmatisierung beenden.

Der Aufruf folgt einer Umfrage, die der Kölner Verein mit seiner Partnerorganisation in Kosovo unter 200 Kriegsvergewaltigten vorgenommen hat. Demnach leiden drei von vier Betroffenen unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und 96 Prozent unter Depressionen. Verständnis und Unterstützung erfahren sie meist nur innerhalb der Familie. In der Gesellschaft bleibe sexualisierte Kriegsgewalt ein “Tabuthema”. Das Trauma sei generationsübergreifend. So waren mehr als zwei Drittel der befragten Frauen und Männer der Überzeugung, dass ihre Gewalterfahrungen Einfluss auf das Familienleben hätten.

Der Kosovokrieg (1998-99) bildete das letzte Kapitel der Jugoslawienkriege der 1990er. Unter dem Vorwand, die Guerillas der Kosovarischen Befreiungsarmee UCK zu bekämpfen, hatte der serbisch-jugoslawische Autokrat Slobodan Milosevic eine brutale Kampagne gegen die albanische Bevölkerungsmehrheit in Kosovo gestartet. Die Nato bombardierte daraufhin ab März 1999 ohne UN-Mandat serbische Ziele. 2008 rief Kosovo seine Unabhängigkeit aus.

Parallelen zu der Situation in Kosovo gibt es laut Monika Hauser, Gründerin von Medica Mondiale, in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier habe eine Studie vor etwa 15 Jahren aufgezeigt, dass Betroffene immer noch psychologische und körperliche Symptome aufwiesen. “Solange eine Gesellschaft nicht bereit ist, sich mit diesem großen Thema zu befassen, die Überlebenden zu unterstützen und sie in die Mitte der Gesellschaft zurückzubringen, wird sie diese fatalen Konsequenzen selbst Jahrzehnte später spüren”, so Hauser.