Deutliche Worte zum Tag der Menschenrechte: Das Deutsche Institut für Menschenrechte und Amnesty International werfen der Bundesregierung vor, Gerichte zu missachten. Dazu nennen die Experten prominente Beispiele.
Menschenrechtler kritisieren die Bundesregierung für ihren Umgang mit Rechtsstaat und zivilgesellschaftlichem Engagement. “Der Rechtsstaat steht unter Druck”, klagte die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf, am Montag in Berlin. Regierungsmitglieder würden Entscheidungen deutscher und internationaler Gerichte rhetorisch abwerten.
Als Beispiele nannte Rudolf etwa Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der angekündigt hatte, den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nicht beachten zu wollen. Auch habe Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin abgetan. Das Gericht hatte Dobrindts Anordnung, Schutzsuchende an deutschen Grenzen zurückzuweisen, für rechtswidrig erklärt.
Am Mittwoch jährt sich die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum 77. Mal. Dazu stellte das Menschenrechtsinstitut seinen aktuellen Menschenrechtsbericht vor. Direktorin Rudolf kritisierte weiter, dass Menschenrechte mitunter als Ideologie bezeichnet würden. Die in Teilen gesichert rechtsextreme AfD nenne etwa die Rechte von Menschen mit Behinderungen und deren Teilhabe eine Ideologie.
Zudem kritisierte die Menschenrechtsexpertin das Bestreben einiger europäischer Regierungen, die Europäische Menschenrechtskonvention zu beschneiden. Hintergrund ist ein informelles Ministertreffen des Europarats am Mittwoch, das auf Betreiben von neun Staats- und Regierungschefs zustande kommt. Sie hatten den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unter anderem für seine Rechtsprechung zu Geflüchteten kritisiert.
Sogar Regierungen demokratischer Staaten seien mitunter der Auffassung, dass Menschenrechte sie unzulässig einschränkten, so Rudolf. Dabei sei es genau ihr Zweck, dem Staat Grenzen aufzuerlegen, damit er die Rechte aller verwirkliche.
Wie das Menschenrechtsinstitut warf auch Amnesty International der Bundesregierung vor, Druck auf zivilgesellschaftliche Organisationen auszuüben. Initiativen und Organisationen, die sich für Menschenrechte, Chancengleichheit und Vielfalt einsetzten, würden unter Generalverdacht gestellt, sagte die Amnesty-Generalsekretärin in Deutschland, Julia Duchrow. So wolle die Bundesregierung etwa aus dem Bundesprogramm “Demokratie leben!” geförderte und bereits umfassend geprüfte Projekte zusätzlich vom Verfassungsschutz durchleuchten lassen.
Zugleich übernehme die Regierung menschenrechtsfeindliche Narrative und gieße sie teils in Gesetze. Auch Duchrow kritisierte, dass sich die Bundesregierung über Gerichtsentscheidungen hinwegsetze und friedlich Demonstrierende diskreditiere. “Das entspricht autoritären Praktiken, die einzig und allein diejenigen gesellschaftlichen und politischen Akteure stärken, die die vielfältige Gesellschaft in Deutschland ablehnen und abschaffen wollen”, so Duchrow.
Die Menschenrechtsorganisation wie auch das Menschenrechtsinstitut forderten mehr Schutz sowie eine Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen. Diese müsse auch finanziell erfolgen.