Artikel teilen:

Mehr Wirtschaft wagen: Entwicklungsministerin reist nach Südafrika

Seit gut zwei Monaten ist Reem Alabali Radovan Entwicklungsministerin – nun steht ihre erste größere Auslandsreise nach Südafrika an. Am Montagabend will sie zu der fast einwöchigen Reise aufbrechen. Zu Hause in Deutschland steht die Ministerin derzeit unter erheblichem Druck. Fast wäre ihr Ministerium abgeschafft worden, und für den laufenden Haushalt muss sie mit fast einer Milliarde Euro weniger rechnen. Alabali Radovan steht damit vor einem Zielkonflikt: Sie will ein starker Partner in der Entwicklungszusammenarbeit bleiben – hat aber immer weniger öffentliches Geld zur Verfügung. Ihre Mission: neue Mittel mobilisieren, insbesondere über die Privatwirtschaft.

Alabali Radovan hat einen neuen Kurs in der Entwicklungspolitik eingeschlagen. Schon in den ersten Wochen machte sie deutlich, dass sie den ersten Teil im Namen ihres Hauses – Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – ernster nimmt als ihre Vorgängerin und Parteikollegin Svenja Schulze. Kein Wunder: Die öffentlichen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit werden weltweit knapper, auch in Deutschland. Laut dem Haushaltsentwurf für 2025 soll ihr Etat von 11,2 auf 10,3 Milliarden Euro sinken. Eine Trendumkehr ist nicht absehbar. Die Lösung liegt aus Sicht der Ministerin unter anderem in der Hebelwirkung privater Investitionen – vor allem durch deutsche Unternehmen.

Dass ihre erste größere Auslandsreise Alabali Radovan auf den afrikanischen Kontinent führt, ist kein Zufall. Bereits Ende Mai, bei einer ihrer ersten öffentlichen Reden vor einem Saal voller afrikanischer Botschafter in Berlin, betonte sie das „enorme wirtschaftliche Potenzial Afrikas“. Ob deutsche Unternehmen dieses ausschöpfen, wird auch davon abhängen, ob die Bundesregierung geeignete Rahmenbedingungen wie Risikoabsicherungen schaffen wird. Wirtschaftliches Engagement in afrikanischen Ländern gilt gemeinhin als risikobehaftet. Deutsche Direktinvestitionen auf dem Kontinent machen einer KfW-Studie zufolge bisher weniger als ein Prozent der globalen deutschen Investitionen aus.

Südafrika könnte für Alabali Radovan ein Schlüsselpartner für ihr Vorhaben sein. Denn anders als in andere afrikanische Staaten trauen sich Firmen hier zu investieren. Rund 60 Prozent des deutschen Investitionsbestands in Afrika befinden sich in Südafrika. Auf ihrer Reise wird sich Alabali Radovan deshalb nicht nur mit der Regierung, sondern auch mit südafrikanischen und deutschen Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern austauschen. Es ist unter anderem ein Besuch in einem BMW-Werk nahe der Hauptstadt Pretoria geplant. Deutsche Unternehmerinnen und Unternehmer sind, anders als es bei Auslandsreisen des Wirtschaftsministeriums oft der Fall ist, nicht Teil der Delegation.

Den Abschluss der Reise bildet das Treffen der G20-Entwicklungsministerinnen und -minister. Seit Dezember 2024 hat Südafrika als erstes afrikanisches Land die G20-Präsidentschaft inne. Die Ministerinnen und Minister kommen vor dem Hintergrund des drastischen Rückzugs der USA aus der Entwicklungszusammenarbeit zusammen, die unter dem ehemaligen Präsidenten Joe Biden noch mit Abstand der weltweit größte Geber waren.

Auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa hatte Ende Mai eine Begegnung der besonderen Art mit US-Präsident Donald Trump im Oval Office. Dieser behauptete, in Südafrika würden weiße Landwirte ermordet – seine angeführten Beweise stellten sich als haltlos heraus. Zuvor hatte Trump der südafrikanischen Regierung bereits vorgeworfen, Land zu konfiszieren und „bestimmte Bevölkerungsgruppen sehr schlecht zu behandeln“. Als Reaktion darauf hatten die USA die Entwicklungshilfe für Südafrika eingestellt.

Alabali Radovan weiß, dass sie mit ihrem schrumpfenden Etat keine Chance hat, die Lücke, die die USA in das globale Entwicklungssystem reißen, aufzufüllen. Trotzdem ist ihre erste Reise nach Südafrika auch ein Zeichen an die afrikanischen Partner: Wir lassen euch nicht allein.